Corona-Fahrplan in Bayern: Fitnessstudios weiter im Unklaren

23.4.2020, 16:57 Uhr
Viele Fitnessstudio-Betreiber fühlen sich von der bayerischen Regierung vernachlässigt. Wann sie wieder öffnen dürfen, ist weiterhin unklar.

© dpa Viele Fitnessstudio-Betreiber fühlen sich von der bayerischen Regierung vernachlässigt. Wann sie wieder öffnen dürfen, ist weiterhin unklar.

"Wir werden vergessen", fasst Philip Hegel, Inhaber des Studio 21 im Zentrum Nürnbergs, seine Situation zusammen. Gut fünf Wochen ist es her, dass die bayerische Staatsregierung verfügte, dass alle Fitnessstudios, Schwimmbäder und andere Sporteinrichtungen schließen müssen, um eine weitere Ausbreitung des Sars-CoV-2-Virus zu verhindern. Ab kommender Woche dürfen viele Geschäfte bis 800 Quadratmeter wieder öffnen, ab 4. Mai folgen Friseure und Fußpfleger.


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Fitness-Studios und Sportstätten haben jedoch keine Aussicht auf eine Rückkehr zur Normalität. Sie müssen zu bleiben – auf unbestimmte Zeit. Und genau das ist das größte Problem. Als Hegel sein 500 Quadratmeter großes Studio schließen musste, hätten die Kunden Verständnis gehabt, sagt er. Sie zahlten weiter. Hegel versuchte, das Beste aus der Situation zu machen, bot Online-Kurse an. Seine vier Mitarbeiter erklärten nun nicht mehr, wie eine Beinpresse korrekt benutzt wird, sondern brachten das Studio auf Vordermann.

"Wir haben ein wenig renoviert, geputzt, das Archiv aufgeräumt." Immer verbunden mit der Hoffnung, spätestens im Mai wieder in irgendeiner Form öffnen zu können. Hegel hat sich viele Gedanken gemacht: "Unsere Geräte stehen sowieso zwei Meter auseinander. Wir könnten die Teilnehmerzahlen der Kurse verringern und mit Anmeldelisten arbeiten. Desinfektion ist ohnehin selbstverständlich." Und eine geschlossene Sauna sei noch eine Weile zu verschmerzen.

Nur Kosten für eine Woche gedeckt

Finanziell wird es eng, sollten Fitness- und Sporteinrichtungen weiterhin geschlossen bleiben müssen. Die Soforthilfe aus Bayern, 5000 Euro, sei schnell gekommen, so Hegel. Auf die Hilfen des Bundes in Höhe von 4000 Euro wartet er noch. Natürlich sei die Unterstützung gut, aber diese Summe decke gerade mal die Kosten für eine Woche. "Und ein Kredit nützt mir wenig. Der rettet mich vielleicht jetzt vor der Insolvenz, aber dafür muss ich später zehn Jahre lang abzahlen."

Hegel kann nicht verstehen, dass Friseure, Fußpfleger, Optiker und Garten- und Baumärkte öffnen dürften, er aber nicht. "Die Ungewissheit ist am schlimmsten. Wir brauchen ein konkretes Datum! Die Kunden werden nicht monatelang Geduld haben und weiterzahlen."

Theoretisch kann jedes Unternehmen bei seiner Kommune eine Ausnahmegenehmigung beantragen. Die Verwaltung entscheidet dann, ob sie dem Unternehmen erlaubt, zu öffnen, auch wenn in der Allgemeinverfügung Bayerns steht, sie müssten zu bleiben. Doch dahingehend waren bisher alle Bemühungen erfolglos.

Diese Erfahrung musste auch Jochen Heruth machen. Er betreibt seit 2014 in Schwabach die "Fitness-Lounge", ein Microstudio mit nur 200 Quadratmetern Fläche. Sein Schwerpunkt liegt auf Personal-Training, also der individuellen 1:1-Betreuung von Kunden. Gerade dabei sei es möglich, auf Abstand und Schutz zu achten, sagt Heruth. Er hat mehrfach beim Ordnungsamt Schwabach nachgefragt, ob er sein Studio unter Auflagen wieder öffnen oder seine Dienste als Personal-Trainer anbieten darf. Vergeblich. "Das Schlimmste ist die fehlende Perspektive", sagt er. Auch seine Mitglieder seien verständnisvoll, zahlten weiter. "Aber wie lange? Das ist doch keinem Kunden zuzumuten!"

Nur Freizeitgestaltung?

Dass Fitness-Studios geschlossen bleiben müssen, begründet die bayerische Staatsregierung damit, dass sie nicht "notwendigen Verrichtungen des täglichen Lebens" dienten, sondern der Freizeitgestaltung. "Sport ist doch aber existenziell, er dient der Gesunderhaltung und fördert das Immunsystem. Und es gibt innerhalb der Fitnessbranche viele unterschiedliche Angebote", sagt Heruth.

Er frage sich, warum Bau- und Gartenmärkte, Fotostudios, Hundetrainer, Anbieter von Jagdbedarf, Reisebüros und Fahrradverleihe als Teil von "notwendigen Verrichtungen des täglichen Lebens" bewertet werden. "All diese Angebote nutzen die Menschen in ihrer Freizeit! Und seit wann sind Haare wichtiger als der Körper und das Immunsystem?"

Die Angst vor der Existenzvernichtung geht auch im "Lady-Style"-Studio in der Nürnberger Südstadt um. Auch dort gebe es längst ein Konzept, um auf ihren 700 Quadratmetern Training auf Distanz zu ermöglichen, sagt Studioleiterin Kamila Kowalska. Vergebens. Die Mitarbeiter sind in Kurzarbeit, die Verträge von Kunden, die nicht mehr zahlen können, weil sie selbst unter finanziellen Druck geraten sind, werden unterbrochen, bis das Studio wieder geöffnet wird.

Die Besitzer des Studio21 in Nürnberg nutzen die Zeit während der Zwangspause und renovieren.

Die Besitzer des Studio21 in Nürnberg nutzen die Zeit während der Zwangspause und renovieren. © Philip Hegel, NZ

Die staatlichen Hilfen seien ein Tropfen auf den heißen Stein, denn es fallen nicht nur Beiträge weg, sondern auch Thekenverkäufe, so Kowalska. Außerdem kämen keine Neukunden mehr. "Friseure sind Kunden viel näher, sie dürfen aber öffnen", sagt sie. "Dabei ist das, was wir machen, Gesundheitsvorsorge. Wir sind zudem spezialisiert auf Reha-Sport, der den Leuten jetzt auch fehlt."

Auch die Nürnberger Studios könnten bei der Stadtverwaltung um eine Ausnahmegenehmigung bitten. Große Hoffnung macht ihnen Robert Pollack, stellvertretender Leiter des Ordnungsamts, nicht. Die verstärkte Ein- und Ausatmung und die Schweißbildung bei Fitness-Studio-Nutzern begünstige die Gefahr einer Ansteckung. Und erlaube man beispielsweise Personal-Training, wecke das Begehrlichkeiten bei ähnlichen Anbietern. Dennoch werde aber jeder Ausnahmeantrag, egal, ob telefonisch oder schriftlich, einzeln bewertet. Genehmigt wurde bisher keiner – egal aus welcher Branche.


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