Fränkische Kriegervereine kämpfen um ihr Überleben

15.11.2020, 15:16 Uhr
Engelbert Abt wird die Vereinsfahne wohl bald nicht mehr aus dem Schrank holen. Der Soldaten-, Krieger- und Kameradschaftsverein (SKK) Ebenried (Landkreis Roth) steht vor dem Aus. 

© Michael Kasperowitsch Engelbert Abt wird die Vereinsfahne wohl bald nicht mehr aus dem Schrank holen. Der Soldaten-, Krieger- und Kameradschaftsverein (SKK) Ebenried (Landkreis Roth) steht vor dem Aus. 

Der Soldaten-, Krieger- und Kameradschaftsverein (SKK) von Ebenried (Kreis Roth) sieht sich zur Aufgabe gezwungen. Und er ist nicht der einzige seiner Art, der dieses Schicksal teilt. Das stolze 100-jährige Vereinsjubiläum hätte der SKK in knapp drei Jahren feiern können. Aber er will sich auflösen. "Nach Feiern ist keinem mehr groß zumute", sagt Engelbert Abt, der Vorsitzende. Dafür fehle die Kraft.


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Über 20 Jahre steht der 77-Jährige an der Spitze des Vereins. Der hat sogar noch 56 Mitglieder in dem 360-Seelen-Ort bei Allersberg. Gut, früher war es ein Mehrfaches davon, aber immerhin. Es will nur keiner mehr an vorderster Front marschieren und den Vorsitz übernehmen. Engelbert Abt schafft es auch nicht mehr.

Ausgelassene Faschingsbälle

Wie in vielen anderen Kommunen gehörte der Soldatenverein von Ebenried in seinen Hochzeiten in den 1970er und 1980er Jahre zu den gesellschaftlichen Größen im Ort. Die Teilnahme an strammen Festumzügen, wohltätigen Christbaumverlosungen oder ausgelassenen Faschingsbällen gehörte zum guten Ton.

Ein alljährlicher Höhepunkt ist der Volkstrauertag, der an diesem Sonntag wieder begangen wird. Da marschieren sie mit ihren prächtig bestickten Fahnen vor dem Kriegerdenkmal auf. In Ebenried gibt es das seit 1962. Eine neue Fahne des SKK wurde 1984 geweiht. Über 1500 Menschen zogen da durchs Dorf, begleitet von 72 Vereinsabordnungen und sechs Musikkapellen. Danach verblasste das Vereinsleben zusehends. Viele Mitglieder starben weg oder traten aus.

Die Folgen bekommt Wolfgang Niebler auf höherer Ebene zu spüren. Er ist mittelfränkischer Bezirksvorsitzender des Bayerischen Soldatenbundes 1874 (BSB), zu dem der SKK gehört. Innerhalb der vergangenen 15 Jahren habe sich die Mitgliederzahl allein im Landkreis Roth von 4000 weit mehr als halbiert, die Zahl der Vereine sei von 49 auf 39 gesunken.

Ende der Wehrpflicht war schwerer Schlag

Die Aussetzung der Wehrpflicht vor fast zehn Jahren versetzte ihnen zusätzlich einen schweren Schlag. Damit "wurde den Kriegervereinen der Nachwuchs genommen", wie es in einer Chronik des SKK heißt. Die jungen Bundeswehrler waren durch die Bank natürlich Mitglied. So wie Engelbert Abt.

Den Zusammenhalt, die gegenseitigen Besuche bei allen möglichen Anlässen wird Abt schon etwas vermissen, wenn es seinen Verein bald nicht mehr gibt. "Man hat sich umeinander gekümmert." Von einer falsch verstandenen Heldenverehrung oder gar abscheulichen Kriegsverherrlichung hat er in seinem Verein nie den leisesten Ton gehört. "Wenn es so was gab, haben sie es gut vor mir versteckt", scherzt Engelbert Abt.


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Er hat das langjährige Engagement in seinem Kriegerverein immer als Mahnung zum Frieden verstanden. In seiner Wohnküche befällt ihn tiefe Trauer, wenn er von den vielen Toten des Weltkrieges aus Ebenrieder Familien erzählt, seine eigene eingeschlossen.

Extremismus, nationalistische Verblendung, Glorifizierung von Untaten haben beim Bayerischen Soldatenbund keinen Platz, versichert Richard Drexl, Oberst der Bundeswehr a. D. und Präsident des BSB: "Von Mitgliedern, die das vertreten, müssten wir uns trennen."

Auch moderne Ziele

Der BSB vertritt auch sehr moderne und aktuelle Ziele. Die "Förderung der wehrhaften Demokratie" mit der "Wahrung der Bürgerrechte" gehört dazu, oder das "Eintreten für die Verwirklichung einer europäischen Sicherheitsstruktur" in einem vereinten Europa. Das sind alles wirklich keine rückwärtsgewandten Anliegen.

Deshalb unterstützt der Freistaat den Verband mit 50.000 Euro im Jahr. Laut Drexl hat der BSB derzeit etwa 60.000 Mitglieder in ungefähr tausend Ortsgliederungen. Der Schwund ist nicht zu leugnen, aber die Verantwortlichen stemmen sich dagegen.

Präsident Drexl empfiehlt etwa, einen Verein vielleicht nicht gleich aufzulösen, wenn Not am Mann ist, sondern ihn erst einmal stillzulegen, um ihn bei Bedarf wiederbeleben zu können. Es gibt die Idee, das martialisch klingende Wort "Krieger" Zug um Zug aus den Vereinsnamen zu streichen und Frauen aufzunehmen. Manche Vereinssatzung schließt sie noch ausdrücklich aus.

Belebung erfährt mancher Soldatenverein zudem durch eine florierende Schützenabteilung. Eine andere Überlebensstrategie ist die Fusion mit einem Nachbarverein. Ein tief verwurzelte Lokalpatriotismus verhindert die oft.