Gottesdienste im Livestream: Halleluja in Zeiten von Corona

9.4.2020, 06:00 Uhr
Gottesdienste im Livestream: Halleluja in Zeiten von Corona

Man kann nur wünschen, dass die Initiatoren scheitern. Einige Kirchentreue haben Anwälte eingeschaltet, um das generelle Verbot von Gottesdiensten wegen der Corona-Pandemie vor Gericht zu kippen. Die "totale Unterdrückung" sei ein böser Verstoß gegen die geschützte Religionsfreiheit.


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Für ihren Vorstoß ernten diese Aktivisten bei den Kirchenführern scharfen Widerspruch. Solche juristischen Klagen seien weder Position noch Linie der Kirche, heißt es zum Beispiel aus der katholischen Deutschen Bischofskonferenz.

Es geht um Lebensschutz

Und für Heinrich Bedford-Strohm, Bayerns evangelischer Landesbischof und Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), ist das verhängte Gottesdienstverbot "natürlich schmerzlich". Es gehe aber darum, Leben zu schützen. "Händedruck und herzliche Umarmung, die physische Gemeinschaft in einer Kirche, Formen, in denen wir sonst unsere Liebe anderen gegenüber ausdrücken, sind jetzt zum Feind der Liebe geworden", betont er.


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Insoweit haben die klagenden Kirchenleute bei Bischöfen denkbar wenig Unterstützung. Man darf ihnen aber aus einem anderen Grund wenig juristischen Erfolg bei ihrem Vorhaben wünschen. Sie übersehen nämlich leichtfertig, dass die verordnete Zwangsruhe in Gemeinden ein wahres Wunder an Einfallsreichtum bewirkt hat, wie in dieser Leidsituation Gemeinschaft außerhalb der üblichen Versammlungsrituale entstehen kann. Das gilt besonders für Karfreitag und Ostern, den christlichen Festen aller Feste.

Theologischer Tiefgang

Manche Idee mag leicht als spaßige Aktion abgetan werden. Andere begegnen der aktuell angespannten Gottesdienstlage aber auch mit theologischem Tiefgang, sehen darin gar ein Chance. Livestreams von Gottesdiensten, Videoübertragungen, virtuelle Kapellen, besinnliche Andachten per Telefon, fernmündliche Gebetsrunden, eine "geistliche Hausapotheke" gehören in diesen Zeiten des Virus fast schon zum frommen Handwerkszeug der Seelsorge. Unter Umständen ist die Reichweite sogar höher als zu virusfreien Zeiten.

Auch Landesbischof Bedford-Strohm wird in der Osternacht im Bayerischen Fernsehen aus Münchner Himmelfahrtskirche predigen, "ohne physisch präsente Gemeinde, aber verbunden mit vielen Menschen im ganzen Land".


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Gemeinden beider Konfessionen tricksen die aufgezwungene Distanz zwischen ihren Mitgliedern aber nicht nur über Datenleitungen auf vielfältige Weise aus. Es werden Unterlagen für Hausgottesdienste erstellt, inklusive Liedern, Bibelstellen und Gebeten, zum Nachfeiern in den eigenen vier Wänden. Orgelmusik, die in der Ortskirche von Palmsonntag bis Ostern zu hören gewesen wäre, wird für Interessenten auf CD gebrannt.

In Fürth zum Beispiel muss in St. Paul das Seniorenabendmahl entfallen. Dafür erhalten die alten Menschen ganz analog per Post einen Umschlag mit je einer Hostie. "Wir haben Dutzende von Briefen verschickt", sagt Pfarrer Michael Adel. Denn das Abendmahl muss allein, soll aber eben doch gemeinsam gefeiert werden.

Und in der katholischen Pfarrei St. Elisabeth in Postbauer-Heng (Kreis Neumarkt) treffen sich sogar Gläubige trotz des Verbots tatsächlich in der Kirche, allerdings nur ihre Bilder. Die Bänke füllen sich symbolisch. Sie sind aufgefordert worden, Fotos von sich und Familienangehörigen einzusenden. Die wurden dann in den leeren Kirchenbänken angebracht.

Blick für die Schwachen

"So machen wir sichtbar, dass wir in diesen schwierigen Zeiten zusammen Ostern feiern und uns im Gebet verbunden fühlen", meint Christoph Härtl, Leiter der Pfarrjugend in Postbauer-Heng.

Gregor Maria Hanke, der katholische Bischof von Eichstätt, meint wohl auch solche ungewöhnlichen Angebote, wenn er in einem Brief schreibt: "Strukturen und Sozialgestalt der Kirche treten gerade in den Hintergrund." Es sei nun eine Zeit, "unser Kirchesein umso mehr als Herzensverbindung zu leben". Hanke will den Blick gerade in Zeiten, in denen sich das Coronavirus ausbreitet, auf die Schwachen, Einsamen und von Berufs wegen Gefährdeten lenken. Diakonisches Handeln sei im kirchlichen Alltag oft an professionelle Institutionen delegiert worden. Nun gelte es, so der Eichstätter Oberhirte, "diese Grundform christlicher Lebensweise im täglichen Leben zu verwirklichen".

Seelsorgerlich stellten diese Zeiten eine "bislang nicht gekannte Herausforderung dar. Vielleicht sei es jetzt an der Zeit, "zu einer Freiheit zu finden, die mehr meint". Es gehe um die Freiheit, verbindlich zu sein für Menschen, für die man verantwortlich sei.
Dieser Anspruch befördert sogar die Ökumene. In Neumarkt haben Katholiken und Protestanten gemeinsam die Aktion "OsterwunderTüte" ins Leben gerufen. Sie enthält ein Fläschchen geweihtes Osterwasser, Osterkerze oder Vorlagen mit Gebeten und Segensbitten, "für alle die zu Hause Ostern feiern möchten". Und in Feucht laden der katholische Ortspfarrer Edwin Grötzner und der frühere evangelische Regionalbischof Karl-Heinz Röhlin einen ökumenischen Kreuzweg ein. Der geht am Karfreitag zur überlieferten Todesstunde Jesu, also um 15 Uhr, online (www.st-jakob-feucht.de). So etwas gab es bisher nicht.

Prozession als Video

Ausfallen muss in der Coronakrise natürlich die große traditionsreiche Karfreitagsprozession in Neunkirchen am Brand (Kreis Forchheim). Wenn lebensgroße Figuren durch den Ort getragen werden, schauen in der Regel mehrere tausende Menschen zu.
Vielleicht sind es in diesem Jahr sogar noch mehr. Pfarrer Joachim Cibura hat nämlich ein Video mit den Figuren und meditativen Texten auf die Homepage der Gemeinde gestellt. Das ist ein dickes Plus. Meditativ geht es bei dem Massenauftrieb sonst eher selten zu.

Das bieten Gemeinden an Ostern

  • Die meisten Gotteshäuser sind tagsüber für Einzelbesucher geöffnet.
  • Ein Sonder-Glockenläuten ertönt am Ostersonntag stadtweit um 10 Uhr, danach gemeinsames Singen von "Christ ist erstanden".
  • Viele Gemeinden legen ab Sonntag Osterlichter, Osterglocken oder kleine Erinnerungsstücke zum Mitnehmen bereit, in der Gustav-Adolf-Gedächtniskirche beispielsweise an einer Wäscheleine. In Boxdorf liefern die beiden Kirchen Oster-Tüten an die Haustüren.
  • Der katholische Stadtdekan Hubertus Förster ist am Ostersonntag um 10 Uhr in einem Radiogottesdienst aus der Frauenkirche auf Bayern 1 zu hören.
  • Zahlreiche Video-Andachten und Kurzgottesdienste entstehen von Gründonnerstag bis Ostermontag fürs Internet, etwa auf st-klara-nuernberg.de, sebalduskirche.de, lorenzkirche.de, egidienkirche.de, ebenso martin-niemoeller-kirche.de oder st-michael-st-ulrich.de, moegeldorf-evangelisch.de

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