"Der Schnelltest": Nürnberger Lehrerin schreibt sich Frust von der Seele

24.3.2021, 20:35 Uhr
Schnell das Stäbchen in die Nase, abwarten - fertig. Klingt so einfach? Nicht für Grundschulkinder und erst recht nicht für eine Grundschullehrkraft, die das Testen der Kinder betreuen muss.

© Christoph Reichwein (crei) via www.imago-images.de, imago images/Reichwein Schnell das Stäbchen in die Nase, abwarten - fertig. Klingt so einfach? Nicht für Grundschulkinder und erst recht nicht für eine Grundschullehrkraft, die das Testen der Kinder betreuen muss.

Kennen Sie die Kinderbuchserie "Der kleine Nick" von René Goscinny? Nach diesem Vorbild hat Susanne Knötzinger ihre Kurzgeschichte am 18. März verfasst. Sie schreibt "Der Autor hätte es mir wohl nicht übel genommen". Es geht um eine Grundschullehrerin und ihre Klasse, die den Schnelltest durchführen müssen. Die Erzählung liest sich wunderbar und ist so vielsagend und ausdrucksstark, dass wir sie Ihnen nicht vorenthalten wollen:

Der Schnelltest

Diesen Montag ist unsere Lehrerin ins Klassenzimmer gekommen und hat den Arm voller Briefumschläge gehabt. "Heute machen wir einen Schnelltest!", hat sie gesagt, und dass der ein bisschen anders ist als die Tests vorher, denn man muss nichts aufschreiben und reden muss man auch nicht dabei.

Wir haben uns gefreut, weil nämlich sonst ist das Testschreiben oder Ausgefragtwerden immer ganz blöd und macht keinen Spaß. Nur Annemarie hat angefangen zu weinen, weil Annemarie will immer alles besonders gut machen in der Klasse und sie liebt es, Sachen aufzuschreiben. Sie hat gesagt, sie hat Angst vor sowas und sie will heim zu ihrer Mama.


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Unsere Lehrerin hat sie aber erst nicht gut verstehen können wegen der Maske und dem Geschniefe. Da hat der Hendrik gemeint, dass Annemarie aufhören soll zu heulen, weil die Maske sonst durchweicht und dann ist sie nicht mehr dicht und die Viren kommen alle durch und stecken alle anderen an und dann müssen wir wieder zuhause bleiben und uns mit den Mamas und Papas streiten und das will er nicht.

"Genau deshalb haben wir jetzt die Schnelltests", hat unsere Lehrerin gesagt, und die sollen helfen, das Virus zu finden. Dann hat sie uns die Briefumschläge ausgeteilt und gesagt, wenn jedes Kind einen hat, dann darf man sie aufmachen. Joseph hat aber nicht gewartet und hat seinen gleich aufgerissen und da sind die ganzen Sachen auf den Boden gefallen. Er hat einen neuen Briefumschlag gekriegt und dann durften wir sie öffnen.

Warten auf das Ergebnis: Was passiert, wenn zwei Striche erscheinen?

Warten auf das Ergebnis: Was passiert, wenn zwei Striche erscheinen? © Christoph Reichwein (crei) via www.imago-images.de, imago images/Reichwein

Zuerst haben wir uns die Röhrchen angeschaut mit den Stäbchen. "Prima!", hat Lukas gerufen und hat mit dem Stäbchen wie mit einem Zauberstab gewedelt. Dabei ist das Stäbchen zu Janis geflogen. Und jetzt hat Lukas einen neuen Briefumschlag gekriegt. Unsere Lehrerin hat gesagt, das war der letzte Ersatzumschlag und wenn jetzt noch was schiefgeht, muss derjenige heim und trägt nicht dazu bei, beim Aufspüren des Virus zu helfen.

Dann hat sie uns alles genau erklärt. Man darf nichts falsch machen, sonst ist der Test ungültig. Wir müssen gut aufpassen. Annemarie hat wieder angefangen zu weinen, weil sie hat schon wieder Angst, was falsch zu machen und das hält sie nicht aus und sie kriegt unter der Maske beim Weinen keine Luft. Die Lehrerin wollte erst zu ihr hin, aber dann ist ihr eingefallen, dass sie das ja nicht darf, weil es zu nah ist, also hat sie nur eine neue Maske hingelegt.


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Dann haben wir alle gleichzeitig die Masken abnehmen dürfen, aber husten oder niesen oder lachen und reden durften wir jetzt überhaupt nicht mehr. Nur das Stäbchen haben wir in unsere Nasen gesteckt. Das hat komisch ausgeschaut, wie wir alle mit den Stäbchen in der Nase dagesessen sind.

Martin hat dann doch lachen müssen, Mira hat das Stäbchen ausgeniest, Jana hat gerufen: "Iiihh, jetzt hast du das Zeug zu mir geniest!" und Bernhard hat geschrien, er hat Nasenbluten. Annemarie hat sich gar nichts getraut und ist sowieso gar nicht an ihre Nase gekommen, weil sie die neue Maske nicht runternehmen wollte. Sie hat gesagt, sie macht das nicht, weil alle anderen haben keine Maske auf und es sind keine ein Meter fünfzig und sie steckt sich bestimmt an und dann muss sie daheim bleiben und kann nichts mehr lernen.


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Die Lehrerin hat Bernhard ganz schnell ein nasses Taschentuch gegeben und Mira das frische Stäbchen von Annemarie. Dann hat sie noch das Desinfektionsmittel geholt und das Nasenblut aufgewischt und dann waren wir mit Bohren fertig und wir haben unsere Stäbchen in das Röhrchen gesteckt. Bernhards Röhrchen hat sich rot verfärbt, Mira hat ein bisschen zu fest auf das Röhrchen gedrückt, Lukas hat wissen wollen, ob die Flüssigkeit rausfließen kann.

"Bei mir passt das Ding nicht ins Röhrchen!", hat Janis gerufen, aber die Lehrerin wollte gar nicht wissen, warum. Die obere Hälfte von ihrem Gesicht hat ein bisschen grün ausgeschaut, aber es kann sein, dass es an der Maske lag. Unsere haben wir uns wieder aufsetzen müssen.

Die meisten haben es geschafft, in eine Mulde in einem Plastikteil ein paar Tropfen reinzufüllen und dann haben wir eine viertel Stunde lang nichts mehr anfassen dürfen. Wir haben aber sowieso nur auf das Plastikteil geschaut, denn wenn nämlich zwei Striche auftauchen, dann hat man das Virus und dann muss man von Mama und Papa abgeholt werden.

"Ich lese euch jetzt eine Geschichte vor, dann geht die Zeit schnell vorbei und ihr müsst schön still sein!", hat unsere Lehrerin gesagt, aber weit ist sie nicht gekommen, denn die Mira hat angefangen zu weinen. Die Mira weint sonst nie und wir sind alle zu ihr hin und da haben wir gesehen, dass auf ihrem Plastikteil zwei Striche waren.

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