Nürnberger Sozialgericht zieht Bilanz: Fast 6000 neue Verfahren

23.4.2021, 15:51 Uhr
Rund 6000 Haupt- und Eilverfahren gingen im vergangenen Jahr beim Sozialgericht an der Weintraubengasse ein – bei 20 Prozent der Fälle geht es um das Thema Grundsicherung.

© Archivfoto: Eduard Weigert Rund 6000 Haupt- und Eilverfahren gingen im vergangenen Jahr beim Sozialgericht an der Weintraubengasse ein – bei 20 Prozent der Fälle geht es um das Thema Grundsicherung.

Die Richterinnen und Richter aus der Weintraubengasse arbeiten schon seit Jahren sehr zügig: 2019 erledigten sie ihre Verfahren durchschnittlich in 8,4 Monaten – ein Rekordergebnis. 2020 dauerte es im Schnitt 9,8 Monate, bis die Fälle vom Tisch waren. Gründe dafür waren unter anderem coronabedingte Verzögerungen. Aber dennoch liegen die Nürnberger Richterinnen und Richter deutlich über dem bayerischen Durchschnitt, berichtet Präsidentin Irmgard Kellendorfer bei der Vorstellung der Bilanz des Sozialgerichts für das Jahr 2020.

Ebenfalls ein Modell-Gericht, und das schon seit Jahren, ist Nürnberg in Sachen Digitalisierung: Die Gerichtsakten sind digital erfasst, der Großteil der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Laptops ausgestattet. Die Empfehlung, wegen der Corona-Pandemie von zu Hause aus zu arbeiten, war also kein Problem, so die promovierte Juristin, die die Flexibilität ihres Personals lobt. "Das ist eine schöne Erfahrung, wenn man merkt, dass alle an einem Strang ziehen", sagt sie.

Im April und Dezember musste das Gericht den Sitzungsbetrieb wegen hoher Infektionszahlen aussetzen. Im restlichen Jahr arbeiteten die 24 Kammern ihre Verhandlungen mit Sicherheitsmaßnahmen dann aber sehr zügig ab. Die Termine wurden so organisiert, dass zum Beispiel zwischendurch gelüftet werden konnte und weniger Menschen in den Sitzungssälen saßen.


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Im abgelaufenen Jahr gingen mit 5929 Hauptsache- und Eilverfahren etwas weniger neue Fälle ein als im Vorjahr (2019: 6655). Größter Posten mit 20 Prozent und 1107 Eingängen waren Verfahren rund um die Grundsicherung für Arbeitssuchende. Aber die Fälle gingen im Vergleich zum Jahr 2019 um fast 700 zurück. Grund war nach Einschätzung der Präsidentin, dass die Jobcenter Leistungen unbürokratischer bewilligten.

Ebenfalls zurück, wenn auch in geringerem Maße, gingen Streitigkeiten rund um das Arbeitslosengeld I: Es gab 419 Neueingänge, 2019 waren es noch 465.

Gestiegen sind dagegen die Verfahren um Leistungen für Asylbewerber (2020:458, 2019:288). Hier gibt es Regelungen, die Prozessbevollmächtigte für verfassungswidrig halten. "Bis zur abschließenden Klärung dieser Rechtsfrage durch das Bundesverfassungsgericht ist hier weiterhin mit einem erhöhten Klageaufkommen zu rechnen", so Sozialrichterin und Pressesprecherin Uta Rauschert. Insgesamt machen die Streitigkeiten aber nur acht Prozent der Klageneueingänge aus.


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Immer noch alle Hände voll zu tun haben die Nürnberger Sozialrichterinnen und -richter mit Streitigkeiten rund um die gesetzliche Krankenversicherung (19 Prozent der Neueingänge). Hier muss das Gericht noch immer Abrechnungsstreitigkeiten zwischen Krankenhäusern und Krankenkassen beilegen. Gesetzesänderungen führten sowohl Ende 2018 als auch Ende 2019 zu regelrechten Klagewellen. In vielen Fällen habe man mittlerweile eine einvernehmliche Lösung finden können, berichten Irmgard Kellendorfer und Uta Rauschert.

Haben die Klagen auch Aussicht auf Erfolg? Nicht in großem Umfang, nur etwa ein Drittel der Hauptsacheverfahren und ein Fünftel der Eilverfahren wird zugunsten der Kläger entschieden. Immerhin: Bürgern, die ich gegen Bescheide der Sozialverwaltung wehren wollen, entsteht kein finanzieller Nachteil. Der Gang vor das Sozialgericht ist für sie kostenfrei. Das Gericht ermittelt von Amts wegen und übernimmt zum Beispiel auch Kosten für Gutachter.