Alle oder keiner: FCN-Ultras fordern Verlegung des Saisonstarts

18.8.2020, 15:19 Uhr
Die aktive Fanszene Nürnberg kritisiert Maßnahmen der Verbände und Vereine im Umgang mit der Corona-Krise.

© Sportfoto Zink / DaMa, NN Die aktive Fanszene Nürnberg kritisiert Maßnahmen der Verbände und Vereine im Umgang mit der Corona-Krise.

Die Bundesliga und ihre Fans müssen sich weiter gedulden: Aufgrund der derzeitigen Entwicklungen zur Ausbreitung des Corona-Virus werden wohl auch bis Ende Oktober die Spiele der am 19. September startenden Saison 2020/21 vor leeren Rängen ausgetragen werden. Die Gesundheitsminister der Länder hatten sich bei ihrer Konferenz am vergangenen Montag einhellig darauf verständigt, dass eine Öffnung der Stadien vor November angesichts der gegenwärtigen Situation nicht zu befürworten sei. Die Folge: Mutmaßlich mindestens fünf weitere Geisterspieltage.


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Eine Entscheidung, die in der aktiven Fanszene des 1. FC Nürnberg auf wenig Gegenliebe stößt. Unter dem Titel "Die hässliche Fratze des Fußballs – Euer Geschäft mit dem Sport" bezieht die "Nordkurve Nürnberg" Stellung – und verurteilt die Maßnahmen der Verbände und Vereine während der Corona-Krise. "9000 Tote, euch völlig egal, euer System war niemals real", stand, adressiert an die Deutsche Fußball-Liga (DFL), auf Plakaten in und um Nürnberg geschrieben. Die FCN-Ultras kritisieren den "viel zu frühen Re-Start", der auf einem "fragwürdigen Hygienekonzept" basiert. Die Bundesliga setzte als erste der Europäischen Top-Ligen nach rund zweimonatiger Pause Mitte Mai die Saison in Form von Geisterspielen fort.

Fans und Interessierten blieb seither nur die Möglichkeit, die Duelle im Fernsehen bei Sky und DAZN zu verfolgen – (mit Ausnahme der ersten beiden Konferenzen nach dem Re-Start) kostenpflichtig im Pay TV. Nicht nur die damit einhergehende Vermarktung der Bundesliga und des einstigen Volkssports Fußball als "Premiumprodukt" stieß den aktiven Fans seit Jahr und Tag übel auf, auch die Fortführung der DFL-Verhandlungen um die Verteilung der TV-Rechte für die Saison 2021/22 "ungeachtet der Tatsache, dass man wohl auch in der kommenden Spielzeit Gefahr laufen könnte, den Zeitplan auf Grund eines abermaligen Anstiegs von Infizierten nicht einzuhalten", wurde von der Nürnberger Nordkurve kritisiert.

Der vermeintliche Kompromiss, unter Achtung gewisser Auflagen die Stadien für eine gewisse Anzahl an Fans zu öffnen, wird von den Ultras nicht als solcher erachtet. Stattdessen vermuten sie hinter dem Konzept zur Teil-Rückkehr der Zuschauer zu den Bundesliga-Partien bigotte Bestrebungen: Zum einen soll dank jenes Konzepts "das aufgebrachte Fanvolk beruhigt" werden, zum anderen könnten die Fans "für zwei, drei gute Kameraeinstellungen im Pay TV sorgen" – und damit unwillentlich als Motiv für eine Vermarktungsinstitution fungieren, die sie als Inbegriff der Kommerzialisierung des Fußballs zutiefst verabscheuen.


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Auch die rein gesundheitlich zweifelsohne nachvollziehbaren, aber aus Sicht der Ultras dennoch nicht akzeptablen Auflagen zur Teil-Zulassung von Zuschauern werden in der Stellungnahme thematisiert. Drei Kernaspekte des Konzepts widerstreben "den wichtigsten und unverhandelbaren Grundsäulen unserer hiesigen Fankultur": Tickets sollen allesamt personalisiert werden, um eine bessere Nachverfolgbarkeit potenzieller Infektionsketten zu gewährleisten. Des Weiteren sollen Stehplatzbereiche geschlossen und Gästekontingente gestrichen werden.

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Im Übrigen findet das geforderte Prinzip des "Social Distancing" in Verbindung mit einer Teil-Rückkehr der Fans aus Sicht der Ultras keinen gemeinsamen Nenner mit dem Stadion in seiner gesellschaftlichen Funktion als "soziale Begegnungsstätte". Besonders in Nürnberg wiegt jene Problematik schwer, schließlich "lebt Glubbfamilie in erster Linie durch ihre sozialen Kontakte und das Miteinander".

Dementsprechend ist "weder die Teilzulassung von Zuschauern noch die nun im Raum stehenden Geisterspiele bis Ende Oktober für uns akzeptabel", wie es in der Mitteilung heißt. Folglich fordern die Mitglieder der aktiven Fanszene das Verschieben des Saisonstarts auf einen späteren Zeitpunkt, an dem "die Stadien zu 100 Prozent ausgelastet werden können". Sollte die DFL entgegen jener Aufforderung den Saisonstart Mitte September veranlassen, kündigte die aktive Fanszene bereits ihr Fernbleiben an.

Der Hintergrund für die Veröffentlichung der knapp zweiseitigen Stellungnahme ist, wie im Fazit betont wird, nicht die Intension, anderen Fans den potenziellen Stadionbesuch streitig zu machen. Stattdessen wollen die Ultras Aufmerksamkeit dafür schaffen, "dass der verfrühte Start der Saison 2020/2021 – mit Teilöffnung oder ohne Teilöffnung - nur ein weiterer Schritt der Verbände ist, ihre Macht zu zementieren und nachhaltige Veränderungen des Profifußballs auf die lange Bank zu schieben".

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