Fußball-EM

Diese EM soll das Turnier von Ilkay Gündogan werden

10.6.2021, 18:25 Uhr
Bislang bei EM und WM nur 59 Minuten im Einsatz, jetzt soll es deutlich mehr werden: Ilkay Gündogan.

© Federico Gambarini, dpa Bislang bei EM und WM nur 59 Minuten im Einsatz, jetzt soll es deutlich mehr werden: Ilkay Gündogan.

Die ersten 15 Minuten dürfen Medienvertreter beim Training der Nationalmannschaft zuschauen auf dem Adi-Dassler-Sportplatz in Herzogenaurach, also beim Aufwärmen. 15 Minuten sind nicht besonders lang und schon gar nicht lang genug, um sich ein Bild machen zu können vom körperlichen und mentalen Zustand einzelner Spieler. Bei Ilkay Gündogan ist das auch gar nicht nötig.


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Wie es in ihm aussieht nach seinem zweiten verlorenen Champions-League-Finale, kann man sich auch so ganz gut vorstellen. 2013 ist er mit Dortmund am FC Bayern gescheitert, vor ein paar Tagen mit Manchester City am FC Chelsea. "Acht Jahre" habe er auf seine nächste Chance hingearbeitet, "dementsprechend ist die Enttäuschung bei mir persönlich natürlich extrem groß."

Es ist nicht die erste Enttäuschung in Gündogans Karriere; in seiner Vita stehen zwar unter anderem vier nationale Meisterschaften und zwei nationale Pokalsiege, nur eben auch ein paar äußerst schmerzhafte Niederlagen. Zum Glück weiß der frühere Profi des 1. FC Nürnberg aber, was als wirklich wichtig zählt im Leben. Und wo er herkommt.

So hat er jetzt dem SV Gelsenkirchen-Hessler 06 einen Großteil seiner Meisterprämie gespendet, damit sein Heimatverein ein neues Fußballfeld bauen kann. "Als Ilkay hörte, dass sich viele Kinder abmelden, weil es keinen Kunstrasenplatz gibt, hat ihn das sehr getroffen", sagt sein Onkel Ilhan Gündogan. "Und so entschloss er sich, großzügig zu helfen."

Zehn Jahre seines noch jungen Lebens hat Ilkay Gündogan beim SV Hessler 06 verbracht, mit drei hatten ihn seine Eltern angemeldet. "Seitdem spielt der Ball die Hauptrolle in meinem Leben", sagt Gündogan, auch die zweieinhalb Jahre beim Club, von Januar 2009 bis Juli 2011, möchte er nicht missen. Ohne Nürnberg wäre er jetzt wahrscheinlich nicht Nationalspieler und nicht in Herzogenaurach, um sich auf ein Turnier vorzubereiten. Das endlich sein Turnier werden soll.

Gündogan, der international Unvollendete

Seit seinem Auswahl-Debüt im Herbst 2011 trat er bei Welt- und Europameisterschaften erst 59 Minuten in Erscheinung. Gündogan, der international Unvollendete: 2012 kam er nicht zum Einsatz, 2014 und 2016 musste er seine Teilnahme jeweils verletzt absagen, 2018 wechselte ihn der Bundestrainer nur im zweiten Gruppenmatch gegen Schweden ein, für Sebastian Rudy. Dass er auch in Russland meist zuschauen musste, hatte wohl sportliche Gründe, aber eben auch emotionale. Sein damaliges Bild mit dem Präsidenten Recep Tayyip Erdogan kam beim DFB jedenfalls nicht besonders gut an.

"Meine Familie stammt aus der Türkei, ich bin jedes Jahr dort", sagt Gündogan, ist "froh, von beiden Kulturen profitieren zu können, man kann immer etwas mitnehmen für sein Leben". Zum Beispiel, stets nach vorn zu schauen. Nach dem Champions-League-Finale ist für ihn somit vor dem ersten EM-Gruppenspiel am Dienstag gegen Frankreich.

Die Erinnerung an das 0:1 von Porto sei zwar "immer noch aktiv", wie Gündogan sagt, dennoch freut er sich "wirklich sehr" auf die erste paneuropäische Fußball-Meisterschaft. Lediglich 17 Tage liegen dazwischen, wobei Gündogan bereits eifrig den Terminplan studiert. Herausgefunden hat er unter anderem, "dass man ständig Fußball schauen kann". Und dass er mindestens dreimal auch selbst mitspielen darf.

Mit Toni Kroos im defensiven Mittelfeld

An seiner Nominierung bestehen kaum Zweifel; wie schon am Montag im letzten Test gegen Lettland (7:1) wird er mit hoher Wahrscheinlichkeit zusammen mit Toni Kroos das defensive Mittelfeld bilden und Joshua Kimmich auf die rechte Seite verschoben. Was Gündogan denn jetzt eigentlich sei, wollte gestern jemand in der Pressekonferenz wissen. Ein Sechser, ein Achter, ein Zehner? "Keine Ahnung, ehrlich, ich weiß es nicht", antwortete Gündogan, "ich habe in den letzten zwei Jahren alle Positionen gespielt." Außerdem ist es ihm auch herzlich egal. Hauptsache, die Mannschaft hat Erfolg. "Ich versuche, mein Bestes zu geben", sagt Gündogan. Selbst wenn er nur auf der Bank sitzen würde.

Alles dafür tun, um die Gruppe stärker zu machen: Gündogan ist einfach der perfekte Teamplayer, einen wie ihn wünscht sich jeder Trainer. Und jeder Vereinsvorsitzende wie Rainer Konietzka vom SV Hessler 06. Ilkay Gündogan ist einfach nur froh über seinen Beitrag, "dass mehr Kinder Spaß am Fußball entwickeln". So wie er. Vor etwa 27 Jahren in Gelsenkirchen.

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