Alltag ohne Eishockey? Nix für Ex-Ice-Tigers-Coach Wilson

9.4.2020, 12:49 Uhr
Nachdenklich: Rob Wilson grübelt in Kanada nicht nur über seine Peterborough Petes.

© Foto: Sportfoto Zink Nachdenklich: Rob Wilson grübelt in Kanada nicht nur über seine Peterborough Petes.

Auch am See rund 20 Minuten entfernt von Peterborough steht die Welt still und ist nachdenklich geworden. Auch das Leben in Kanada hat das Virus fest im Griff. Morgens und abends mit den beiden Schäferhunden spazierengehen, tagsüber Videokonferenzen mit seinem Trainerstab aus dem Homeoffice, dann arbeiten am Haus und im Garten. Rob Wilson geht es wie vielen Menschen in diesen Tagen und Wochen. Alles ist anders als gewohnt.

Zunächst schien Corona noch weit weg, dann war es da. "Man beginnt das Ganze am Fernseher zu verfolgen und in der Anfangsphase ist man schockiert über das, was da in China passierte. Aber ich denke, Italien hat jeden erschreckt, und man hat gemerkt, dass die Sache näher kommt, das war sehr alarmierend. Die Welt derart anzuhalten, ist einfach unglaublich, das zeigt wie ernst das alles ist", so der 51-Jährige.

Als Coach hat er auch in Südtirol gearbeitet, unterhält noch Kontakte dorthin und konnte sich zumindest darüber freuen, dass seine Bekannten wohlauf sind. Mit Großbritannien pflegen die Wilsons ebenfalls einen regen Austausch. Robs Frau Heidi stammt aus Newcastle, ihre Mutter, ihre Schwester, Familie und Freunde leben dort. "Gott sei dank hat die Welt heute diese Technologien, so dass man in Kontakt bleiben und sich sogar sehen kann, das ist wirklich wichtig", sagt der Mann mit der Reibeisenstimme, der mit seiner Frau, deren Sohn und seinen beiden Töchtern zusammenlebt.

Leben aus dem Rhythmus

Für Wilson ist das weggebrochen, was normal seinen Rhythmus bestimmt: Eishockey. Er lebt und denkt es Tag und Nacht. "Mir fehlt der Alltag am meisten, und mein Alltag ist Eishockey", sagt der Coach, der die erfolgreichste Ära der Ice Tigers prägte. Er vermisst die Halle, das Eis, seine Spieler. Ab und zu Videos zu studieren, um sich weiterzubilden und Kniffe von Kollegen abzuschauen, hilft da nur ein klitzekleines bisschen.

Wer normal immer morgens um fünf oder sechs aufsteht, so wie Wilson, muss neue Wege finden. "Es ist unglaublich, wie viele Leute, auch ich, eine tägliche Routine schätzen in ihrem Leben. Wenn man das wegnimmt, glaube ich, wissen die Leute manchmal nicht, wie sie die Stunden füllen sollen, das ist wirklich spannend." Er versucht, rund ums Haus alles für den Sommer herzurichten, damit dann auch Ausflüge mit dem Boot möglich sind. Die Kinder sollen Schwimmen lernen – wenn das möglich sein sollte. Im Sommer 2019 stand er morgens um fünf Uhr auf, um ab sechs Uhr kleinen Kindern das Schlittschuhlaufen beizubringen. In diesem Jahr fällt das aus. Auch aus den berechtigten Titelhoffnungen der Petes, die sehr gut im Rennen lagen, wird wohl nichts. Das zweitbeste Unterzahlspiel, das viertbeste Powerplay, der drittbeste Gegentorschnitt und die drittmeisten Siege nach 60 Minuten, all das wird wohl nicht zu einer Trophäe führen. Wilson hat das Traditionsteam aus Peterborough, das, bis er es übernahm, jahrelang strauchelte, zu einem Topteam geformt. Darauf kann er auch in diesem Jahr stolz sein.

Der Rest von 2020 wird ihm und jedem anderen als seltsam in Erinnerung bleiben. Im Supermarkt werden auch in Peterborough, das rund 145 Kilometer von Toronto entfernt liegt, von einigen Handschuhe und Masken getragen, Pflicht ist das nicht. Eine Maske zum Beispiel besitzt Wilson noch nicht. "Jeder muss mehr Masken produzieren, die müssen dann ja verfügbar sein", sieht er Notwendigkeiten, bevor eine solche Direktive ausgegeben werden sollte.

Sorge um das deutsche Eishockey

Ob Geisterspiele im eishockeyverrückten Kanada denkbar wären, kann Wilson schwer einschätzen. Das wäre "hart für alle Beteiligten", sagt er. Dass der DEL der Kollaps droht, sollten die Fans nicht rein dürfen, wie Ligaboss Gernot Tripcke unlängst prophezeite, ist auch an Wilson im fernen Kanada nicht spurlos vorübergegangen. "Das wäre eine unglaublich traurige Sache. Das deutsche Eishockey ist wirklich gut und genießt viel Respekt in der Welt. Ich hoffe, das ist eine Situation, die nie eintritt", erklärt der kantige Mann mit dem großen Herzen, der auch darüber bei den Spaziergängen mit seinen Hunde am See nachdenkt.

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