Keine Stars auf der Insel: Island und sein Verhältnis zum Profifußball

25.3.2021, 06:00 Uhr
Keine Stars auf der Insel: Island und sein Verhältnis zum Profifußball

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Unter den angelnden Touristen findet sich hier schon mal ein Hollywood-Star. Das soll auch woanders auf der Welt vorkommen. Doch auf Island, dessen Fußball-Nationalelf am Donnerstag in Duisburg in der WM-Qualifikation auf Deutschland trifft (20.45 Uhr/RTL), ist der Umgang mit ihnen das Besondere. "Das juckt hier keinen", sagt Ingolfur Herbertsson, Rentner und Touristenführer in Akureyri, der zweitgrößten Stadt der Insel. Tatsächlich nimmt man zwar zur Kenntnis, dass jemand da ist, der auf der ganzen Welt berühmt ist. Doch kreischende Fans – Fehlanzeige.

In einem Land, in dem auch über die eigenen Grenzen hinaus äußerst bekannte Künstler wie etwa die Sängerin Björk ganz selbstverständlich im Schwimmbad, dem Bus oder beim Einkaufen anzutreffen sind, pflegt man ein angenehm entspanntes Verhältnis zur Prominenz. Man respektiert sie, man dramatisiert sie nicht.

Auf Island bilden auch die Fußball-Profis keine Ausnahme. Wo der allgemein als Islands bester Fußballer aller Zeiten angesehene Eidur Gudjohnsen (42) sein Haus hat, weiß zwar jeder. Aber niemand wirft sich ehrfürchtig vor dem einstigen Offensivspieler in den Staub, der es bis zum FC Barcelona brachte. Gleiches gilt für den ehemaligen Profi des FC Bayern München und des VfB Stuttgart, Asgeir Sigurvinsson (65), oder die aktuelle Generation um den England-Legionär Gylfi Sigurdsson (31) vom Premier-League-Klub FC Everton oder Augsburgs Angreifer, Alfred Finnbogason (32). Respekt ja, stolz darauf, dass die kleine Nation mittlerweile auch beachtenswert im Welt-Fußball mitmischt, ja. Personenkult wie in anderen Ländern, nein. Die Wikinger sind nordisch gelassen und Fußballer halt auch nur Menschen.

Nicht auf einer Stufe mit Odin oder Thor

Seit die Mannschaft des damaligen Trainerduos, bestehend aus dem Schweden Lars Lagerbäck (72) und dem Isländer Heimir Hallgrimsson (53), es bis zur Europameisterschaft nach Frankreich geschafft hat, könnte man anderes vermuten. Läge damit aber falsch. Jene Fußballer, die sich bei der EM 2016 in die Herzen der Fans auf dem Kontinent mauerten und das kollektive Verteidigen zur Kunstform erhoben, sind beliebt. Aber nicht auf einer Stufe mit Odin oder Thor. Oben im Norden leben nicht ganz 360 000 Menschen, spätestens um die dritte Ecke kennt jeder jemanden. Der Umgang ist locker.

Eine ganz Weile gab es auch den Brauch, dass Nationalcoach Heimir Hallgrimsson dem Fanklub "Tolfan" kurz vor wichtigen Spielen in einer Kneipe in Reykjavik die Taktik und die Aufstellung verriet. Bei Joachim Löw (61) wäre so etwas undenkbar. Doch Hallgrimsson, eigentlich Zahnarzt, suchte die Nähe zu den Fans.

"Tolfan" war der Initiator des berühmten "Huh"

"Tolfan" war auch der Initiator des berühmten "Huh", mit dem die Nordmänner mit ihren Fans 2016 in den Stadionkurven Frankreichs feierten, von denen sie viele persönlich kannten. Bis ins Viertelfinale schaffte es der krasse Außenseiter damals. Bei der WM 2018 in Russland, mit Hallgrimsson, aber ohne Lagerbäck an der Seitenlinie, war als Gruppenletzter nach der Vorrunde Schluss. Hallgrimsson trat zurück.

Auf den Dentisten folgte der schwedische Routinier Erik Hamren, der aber die Qualifikation zur EM 2020/21 verpasste und zurücktrat. Zum 500. Länderspiel in der Geschichte des Isländischen Fußball-Bundes (KSI) nimmt heute ein neuer Mann auf der Bank Platz: Arnar Thor Vidarsson (43) trainiert zuvor Islands U21 und wurde befördert. An seiner Seite sind Gudjohnsen als Assistent und Lagerbäck als Berater.

Rurik Gislason tanzt jetzt

Im Team finden sich nach wie vor Spieler, die von den großen Turnieren 2016 und 2018 bekannt sind. Wie der charismatische Kapitän Aron Gunnarsson (31). Der Mittelfeldspieler schnürt mittlerweile die Schuhe für Al-Arabi in Katar. Sein Trainer dort ist Hallgrimsson. Auch Birkir Bjarnason (32) vom italienischen Zweitligisten Brescia Calcio steht im Aufgebot. Finnbogason fehlt verletzt.

Gar nicht mehr dabei ist der Frauenschwarm und Ex-Nürnberger Rurik Gislason (33), der mittlerweile in Tanzshows im deutschen Fernsehen auftritt. Und das weltberühmte "Huh". Um den Schlachtruf ist ein Markenstreit entbrannt – er wurde einfach zu prominent.

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