Löw sortiert drei Weltmeister aus - wer übernimmt jetzt?

6.3.2019, 12:35 Uhr
Jerome Boateng, Mats Hummels und Thomas Müller waren fast drei Jahrzehnte für die deutsche Nationalmannschaft aktiv.

© Kirill Kudryavtsev / afp Jerome Boateng, Mats Hummels und Thomas Müller waren fast drei Jahrzehnte für die deutsche Nationalmannschaft aktiv.

Fußball-Deutschland staunt und diskutiert über den neuen, konsequenten Joachim Löw. Oft in seinen über zwölf Jahren als Bundestrainer hatte der Schwarzwälder harte Entscheidungen vor sich hergeschoben und an verdienten Spielern lange festgehalten. Jetzt musterte Löw mit Jerome Boateng, Mats Hummels und Thomas Müller gleich drei Wortführer aus, die mit ihm viele Erfolge gefeiert hatten. Und das, ohne den Weltmeistern von 2014 noch ein Hintertürchen offen zu lassen. Auf dem Weg zur EM 2020 und zurück in die Weltspitze soll es eine neue Generation um Julian Brandt, Joshua Kimmich, Leroy Sané, Kai Havertz und Timo Werner richten.

LÖWS UMDENKEN: "2019 ist für die deutsche Fußball-Nationalmannschaft das Jahr des Neubeginns", sagte Löw als übergreifende Erklärung für seine wohl härteste Entscheidung als Bundestrainer. Anderen verdienten Spielern wie Lukas Podolski oder Bastian Schweinsteiger hatte der 59-Jährige lange weiter eingeladen, obwohl sie den Höhepunkt ihrer Karrieren überschritten hatten. An Mesut Özil rüttelte Löw vor und während der misslungenen WM 2018 trotz der Erdogan-Affäre nicht. Der im Ruhrpott geborene Star mit türkischen Wurzeln hatte sich wie Mitspieler Ilkay Gündogan mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan ablichten lassen und sich nie öffentlich dazu erklärt - eine große Belastung für das ganze Team. Özil hatte im Zuge dessen 2018 dann seinen Rücktritt aus der Nationalmannschaft verkündet.

PLÖTZLICH DAS AUS: Müller hatte im November des Vorjahres beim 3:0 gegen Russland als Einwechsel-Spieler sein 100. Länderspiel gefeiert - zumindest die Mitgliedschaft im Klub der Hunderter kann dem gebürtigen Bayern keiner mehr nehmen. Das Motto "Müller spielt immer" galt lange - aber der einstige WM-Torschützenkönig schwächelte im Nationalteam schon seit Monaten. Hummels stand beim 2:2 im vergangenen Herbst gegen die Niederlande in der Nations League, die für Deutschland mit dem blamablen Abstieg in die B-Gruppe endete, noch in der Startelf. Boateng war schon nach der 0:3-Pleite beim Hinspiel in Holland von Löw aufs Wartegleis geschoben worden. Direkt nach der WM 2014 hatte Löw bereits Khedira vorerst ausgemustert. Dieser erholt sich aktuell von seiner Herz-Operation.

REAKTIONEN: "Ich war selbst jung und darauf angewiesen, dass mir ältere Spieler Platz machen", erklärte Boateng auf das endgültige Aus im Adler-Trikot. Der 30-Jährige hätte sich weiter bereit gesehen für die Nationalelf: "Ich persönlich bin davon überzeugt, dass ich weiterhin auf höchstem Niveau spielen kann und werde das auch in Zukunft zeigen." Allerdings kann er das nur noch im Klub. Hummels reagierte erst am Mittwoch öffentlich auf die Nachricht, indem er ein Selfie mit seinem Sohn und dem Wort "Aufmunterer" in seine Instagram-Story postete. Müller gab noch kein Statement über Social Media ab.

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

Bundestrainer Joachim Löw hat mir heute in einem aufrichtigen Gespräch mitgeteilt, dass ich nicht weiter Teil des DFB-Teams sein werde, er in Zukunft jungen Spielern die Bühne bieten möchte und besonders im Hinblick auf die anstehenden Turniere der Mannschaft ein neues Gesicht geben möchte. Ich bin traurig über diese Nachricht, weil es für mich immer das Allergrößte war, mein Land zu repräsentieren. Dennoch respektiere ich den neuen Kurs und habe Verständnis für die Entscheidung des Bundestrainers. Ich war selbst jung und darauf angewiesen, dass mir ältere Spieler Platz machen. Ich persönlich bin davon überzeugt, dass ich weiterhin auf höchstem Niveau spielen kann und werde das auch in Zukunft zeigen. An die Zeit im DFB-Team werde ich immer mit großer Freude zurückblicken. Ich war immer extrem stolz, das Trikot der Nationalmannschaft tragen zu dürfen und werde vor allem den Sommer 2014 nie vergessen. Dennoch hätte ich mir natürlich einen anderen Abschied für uns gewünscht. Viel Erfolg der Mannschaft für die Zukunft!

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WER ÜBERNIMMT? Für die Innenverteidigung, die nicht nur im gewonnenen WM-Finale 2014 in Rio de Janeiro Hummels und Boateng gebildet hatten, ist nun der Münchner Niklas Süle erste Wahl. Antonio Rüdiger, Thilo Kehrer, Matthias Ginter und Jonathan Tah sind Kandidaten für diese Position. Für Müller (29) hatte bei Löw zuletzt schon Bayern-Kollege Serge Gnabry (23) gespielt, der am Dienstag beim FC Bayern bis 2023 verlängert hat. Der Münchner gehört wie Manchester-City-Jungstar Leroy Sané, die Leverkusener Julian Brandt und Kai Havertz sowie der Leipziger Timo Werner zu den neuen Offensiv-Hoffnungen im DFB-Team.

FÜHRUNGSKRÄFTE GESUCHT: Kapitän Manuel Neuer und Real-Madrid-Star Toni Kroos sind die einzig übrig gebliebenen langjährigen Führungsspieler. Jetzt sind besonders der Dortmunder Marco Reus, die Münchner Joshua Kimmich und Leon Goretzka sowie Julian Draxler von Paris Saint-Germain gefordert. "Sie müssen nun die Verantwortung übernehmen", sagte Löw. Ob Gündogan (Manchester City) Löw nochmals sportlich überzeugen kann, muss sich zeigen. Im Gegensatz zu Özil hatte er nach dem brisanten Foto mit Erdogan aber angegeben, dass er seine Karriere in der Nationalmannschaft gerne fortsetzen würde.

WIE GEHT ES WEITER? Das erste Länderspiel des Jahres gibt es am 20. März in Wolfsburg gegen Serbien. Die EM-Ausscheidungsrunde beginnt am 24. März mit dem brisanten Duell in Amsterdam gegen die Niederlande. Weitere Kontrahenten sind Nordirland, Weißrussland und Estland. Große Gefahr scheint es nicht zu geben, zumal sich der Gruppensieger und der Zweite für die paneuropäische EM im Sommer 2020 qualifizieren, die auch teilweise in München ausgetragen wird. Doch die misslungene WM und der Nations-League-Abstieg sind Warnung genug.

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