Schneebälle zum Debüt: Büskens' erster Kleeblatt-Sieg

8.5.2020, 09:40 Uhr
Das Trikot zog Mike Büskens natürlich nie an. Präsident Helmut Hack (links) überreichte es seinem neuen Trainer bei der Vorstellung am 27. Dezember 2009.

© Foto: Wolfgang Zink Das Trikot zog Mike Büskens natürlich nie an. Präsident Helmut Hack (links) überreichte es seinem neuen Trainer bei der Vorstellung am 27. Dezember 2009.

Irgendwann hatten sie genug. Als kurz nach Wiederanpfiff mit dem 3:0 die Niederlage besiegelt schien, da fingen Chaoten aus dem Lauterer Gästeblock an, den Fürther Torwart Stephan Loboué mit Schneebällen zu bewerfen. Ihre Treffsicherheit war nicht viel besser als die der elf Roten Teufel, die an diesem Nachmittag im Ronhof auf dem Platz standen.

Der Debütant an der Seitenlinie quittierte das Geschehen mit Kopfschütteln. Es waren aus Fürther Sicht die einzigen Störgeräusche an diesem 16. Januar 2010, der Start mit dem neuen Trainer Mike Büskens glückte außerordentlich gut.

Noch rund einen Monat zuvor sah das Bild beim Kleeblatt ganz anders aus. Bei minus 14 Grad im Eisschrank Trolli-Arena setzte es eine 1:4-Niederlage gegen den Karlsruher SC. Wegen Glatteis war der Gästeblock gesperrt, die Karlsruher Fans zogen auf die Gegengerade um. Noch frostiger war es hinter den Kulissen.

Im Vorjahr noch knapp am Aufstieg gescheitert, rangierte Fürth zum Ende der Hinrunde auf Platz 15. Zum ersten Mal seit 2004 taumelte das Kleeblatt den Abstiegsplätzen entgegen. Fünf Niederlagen und ein Unentschieden aus den vorangegangenen sechs Spielen musste Benno Möhlmann in seiner dritten Ära als Kleeblatt-Coach quittieren.

Am Abend des KSC-Spiels stand in der Comödie die Weihnachtsfeier an. Der damalige Präsident Helmut Hack erinnert sich: "Natürlich hat das Spiel auf die Stimmung gedrückt, aber ich hab’ dann zu Benno Möhlmann gesagt: Komm morgen zu mir nach Hause, dann reden wir über die ganze Situation."

Hack kündigt Möhlmann

Während die Ehefrauen der beiden nebenan miteinander sprachen, diskutierte Hack mit seinem Duz-Freund über die Zukunft der SpVgg Greuther Fürth. Auch wenn die dritte Trennung Hack wehgetan habe, "aber das mit Benno ist eine lebenslange Freundschaft".

Hack und sein Teammanager Rachid Azzouzi gingen also auf die Suche nach einem Nachfolger – und stießen auf den 41-jährigen Büskens. Der Schalker Eurofighter hatte zuvor die zweite Mannschaft in Gelsenkirchen betreut und war zweimal erfolgreich als Interimstrainer der Profis eingesprungen. Für Hack stimmte das Gesamtpaket: "Für uns war es wichtig, einen Trainer zu haben, der sich mit unserer Situation in Fürth identifiziert und dafür glüht. Das hat bei Mike Büskens wunderbar gepasst, er hatte Kraft und Energie."


"Wir lassen das jetzt ruhen": Möhlmanns vierter Abschied aus Fürth


Nach den ersten Gesprächen am 22. Dezember im Vestenbergsgreuther Büro des Präsidenten war für Büskens schnell klar: "Den Job will ich machen." Eigentlich hatte er andere Pläne. "Ich hatte gehofft, unter Felix Magath auf Schalke als Co-Trainer zu arbeiten, doch das hat sich zwei Tage vor Saisonbeginn zerschlagen", erinnert er sich.

"Wenn Fürth 100 Kilometer von Gelsenkirchen entfernt wäre, würde ich sofort für zehn Jahre unterschreiben", sagte Büskens nach dem ersten Gespräch. "Ich war zunächst überrascht, dass wir uns nicht direkt in Fürth getroffen haben, um die Infrastruktur zu sehen. Eine Woche später wusste ich auch, warum", erinnert sich der Wahl-Schalker mit einem Schmunzeln. "Das Innenleben der Haupttribüne hat mich eher an die Glückauf-Kampfbahn erinnert."

Doch das hielt ihn nicht vom Trainerposten ab. "Mir war klar: Wenn ich jetzt nein sage, dann war es das mit der Trainerkarriere." Am 27. Dezember 2009 stellte der Verein ihn vor. Der Auftakt hätte kaum schwerer ausfallen können, reiste mit dem 1. FC Kaiserslautern doch der souveräne Tabellenführer nach Franken.

Ein Spiel, wie es Hack nennt, "mit dem man sich einen Trend erkämpfen und die guten Umstände erzwingen kann." Immerhin 7350 Zuschauer waren in den Ronhof gekommen. Vom Anpfiff weg bemühte sich Lautern um Spielkontrolle, doch das Kleeblatt schaffte es immer wieder, dank giftiger Zweikampfführung und frühen Anlaufens das Kombinationsspiel zu stören und setzte Nadelstiche.

In der 42. Minute war es soweit: Stephan Fürstner schickte Nicolai Müller steil, der zum 1:0 einschob. Nur zwei Minuten später Elfmeter nach Foul an Sami Allagui, Bernd Nehrig traf zum 2:0. Und wieder Nehrig stellte nach der Pause in der 53. Minute volley auf 3:0.

Eine Woche später gelang ein 5:0 bei Abstiegskonkurrent FSV Frankfurt, gefolgt von einem 1:0 gegen Cottbus. Die Abstiegssorgen waren damit erst einmal gebannt, am Ende der Saison verhinderte eine Vielzahl von Unentschieden eine bessere Platzierung als Rang elf.

Gemeinsam schippen

In der Winterpause mit Trainingslager in der Türkei vermittelte Büskens seine Philosophie: "Es ging darum, den Jungs Vertrauen in ihre Fähigkeiten zu geben, damit sie agieren und nicht reagieren. Wir hatten die richtige Mannschaft dafür, viele schnelle Spieler mit guten Ballfertigkeiten, die von ihrer Athletik her früh pressen konnten. Das war als Mannschaft, die gegen den Abstieg spielt, ungewöhnlich." Doch das Debüt stand kurz vor der Absage: Einen Tag vor dem Lautern-Spiel war der Ronhof unter einer weißen Schneedecke verschwunden.

Ans Schneeschippen im Ronhof musste sich Mike Büskens gewöhnen. Ein Jahr nach seinem verschneiten Debüt musste er im Dezember ’10 schon wieder an die Schaufel.

Ans Schneeschippen im Ronhof musste sich Mike Büskens gewöhnen. Ein Jahr nach seinem verschneiten Debüt musste er im Dezember ’10 schon wieder an die Schaufel. © Foto: Wolfgang Zink

Also hieß es: schippen. "Gemeinsam mit Jugendmannschaften, dem ganzen Trainerstab des Vereins und Geschäftsstellenmitarbeitern haben wir das Stadion vom Schnee befreit. Ein geiles Gefühl, wenn man merkt, wie alle anpacken. Das war so ein Moment, in dem ich gespürt habe, dass das hier in Fürth genau mein Ding ist."

Die Nacht darauf schlief der neue Coach hervorragend – und thematisierte das in seiner Kabinenansprache: "Warum habe ich gut geschlafen? Weil ich euch vertraue, weil ich weiß, dass ihr Lautern schlagen könnt!" Das schien gefruchtet zu haben. Mit dem 2:0 vor der Pause kehrte das verlorene Selbstbewusstsein zurück. Für den Debütanten gab es nach Abpfiff noch eine Überraschung: "Auf dem Weg in die Kabine stand dort überraschend meine Familie, ich dachte, ich träume. Das war das i-Tüpfelchen."

SpVgg: Loboué; Schröck, Biliskov, Karaslavov, Falkenberg – Caligiuri – Nehrig (88. Haas), Fürstner, Müller – Nöthe (84. Schahin), Allagui (45. +2: Sailer).

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