Eigengewächs trifft erneut

Nur nicht zu viel nachdenken: Jamie Leweling überzeugt beim Kleeblatt

2.11.2021, 06:00 Uhr
Als die Hoffnung kurz zurückkehrte: Jamie Leweling bejubelt sein zweites Bundesligator – das aber wieder nicht zu einem Punktgewinn für die Spielvereinigung reichte.

© Sportfoto Zink / Melanie Zink, Sportfoto Zink / Melanie Zink Als die Hoffnung kurz zurückkehrte: Jamie Leweling bejubelt sein zweites Bundesligator – das aber wieder nicht zu einem Punktgewinn für die Spielvereinigung reichte.

Natürlich hätte auch Jamie Leweling am Samstagnachmittag verzweifeln können. Zum Beispiel in der ersten Halbzeit, als er Nationalspieler Christian Günter an der Seitenlinie erst davon sprintete, dann aber einsehen musste, dass so ein sehr guter rechter Verteidiger einfach nicht aufhört, bis er den Ball geklärt hat. Also rannte Günter weiter, drückte seinen kräftigen Körper in den Zweikampf und brachte den Fürther Angreifer so sehr aus seiner flüssigen Bewegung, dass der mit dem Ball ins Aus rannte.

Die 31.500 Zuschauer im neuen Freiburger Stadion applaudierten höhnisch – es passte ja auch ins Bild dieser Fürther Bundesliga-Saison: sehr bemüht, aber am Ende dann doch glücklos. Doch Jamie Leweling wollte nicht an sich zweifeln und auch nicht an Christian Günter verzweifeln. Er machte einfach weiter, versuchte, seinen ebenso bulligen Körper in jeden Zweikampf zu wuchten und sich so gegen die drohende Niederlage zu stemmen.

„Christian Günter ist ein sehr guter Spieler mit viel Erfahrung“, sagte Leweling nach dem Schlusspfiff, als die neunte Niederlage im zehnten Saisonspiel feststand. „Er hat mir einiges abverlangt.“ Dennoch hatte dieser Günter immer wieder einige Probleme mit dem Fürther Eigengewächs, das auch bei seinem zweiten Bundesligaspiel von Beginn an der beste Spieler beim Kleeblatt war.

Jamie Leweling wehrte sich, er dribbelte, zog in den Strafraum, schoss – und wurde in der 74. Minute für all seinen Aufwand belohnt. Bei einer präzisen und scharfen Hereingabe von Kapitän Branimir Hrgota schaltete der 20-Jährige am schnellsten, schlich sich hinter der Freiburger Abwehrkette vors Tor und nahm den Ball direkt. „Das ist Instinkt“, sagte er. „Es gibt Situationen, in denen ich nicht einlaufe.“ Diesmal tat er es und wurde belohnt. Das 1:2 war Lewelings zweites Bundesligator, ein Treffer, der die Hoffnung zurückbrachte.

Der Torschütze wollte sich gar nicht lange mit allzu ausgiebigem Jubeln aufhalten. Freiburg schien in der zweiten Hälfte aufgrund des Pokalspiels in der vergangenen Woche etwas müder zu werden. Jamie Leweling spürte das natürlich, auch er hatte die Hoffnung auf den Ausgleich noch nicht aufgegeben, „wir hatten ja noch 15 Minuten zu gehen“, sagte er. „Aber Freiburg bestraft so einen Fehler eben.“

Einen Fehler, wie den von Abdourahmane Barry, der zu einem Elfmeter und damit zum 3:1 in der 79. Minute führte. Die Hoffnung, sie hatte nur fünf Minuten gehalten. Doch Jamie Leweling wollte keinem seiner Kollegen einen Vorwurf machen – weder Simon Asta, der das 0:1 mit einem Eigentor erzielt hatte, noch Barry, der den Ball genau in den Lauf des Freiburger Lucas Höler verlängert hatte. „Das muss man als Mannschaft kompensieren“, betonte Leweling

„Fußball soll Spaß machen“

Nur ist diese Mannschaft mittlerweile so verunsichert, dass ihr immer wieder teils unerklärliche Aussetzer passieren, die in der Bundesliga sofort bestraft werden. Bei vielen gehen die Köpfe dann nach unten – bei Jamie Leweling aber nicht. Die andauernde Negativserie scheint ihm genauso wenig anhaben zu können wie die Nachricht von fünf Corona-Fällen in der Mannschaft.

„Natürlich macht man sich Gedanken“, sagte Leweling, „aber zwei Stunden vor dem Anpfiff konzentriert man sich auf das Spiel.“ Auf Fußball, den Sport, den sie alle als Kinder lieben gelernt haben und in dem sie so gut sind, dass sie damit ihren Lebensunterhalt verdienen können. Warum er gerade so gut durch diese für alle schwierige Phase kommt? Vielleicht ist die Antwort eine ganz einfache, eine, für die es keinen Psychologen braucht. „Es ist halt Fußball“, so Leweling, „es soll Spaß machen.“

Den will sich Jamie Leweling nicht nehmen lassen, so schwierig die Umstände auch sind. „In so einer Situation ist es schwer, cool zu bleiben. Wir sind Tabellenletzter mit einem Punkt“, sagt er. Dennoch lebt er gerade den Traum vieler Kinder auf der ganzen Welt. Er darf in einer der besten Ligen der Welt spielen – und hält es dort weiterhin mit seinem ganz eigenen Motto: Nicht so viel nachdenken. Einfach machen.

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