Wittmann fehlt das Fahren - Frankens DTM-Ass spricht

31.7.2020, 08:53 Uhr
Am Wochenende startet BMW-Pilot Marco Wittmann in Belgien in die Notsaison.

© Sportfoto Zink / ThHa, NN Am Wochenende startet BMW-Pilot Marco Wittmann in Belgien in die Notsaison.

Herr Wittmann, so fit wie diesmal sind Sie wahrscheinlich noch nie in die Saison gestartet?

Marco Wittmann: Ja, man hat viel Zeit gehabt, um zu trainieren. Das Fahren hat natürlich gefehlt, aber der Sport- und Fitnessanteil war dafür größer als üblich.

Haben Sie während des Lockdowns etwas anderes ausprobiert als in den Vorjahren?

Wittmann: Nicht direkt. Aber ich bin zuletzt sozusagen back to the roots gegangen und habe mich mal wieder im Kartfahren probiert, um wieder in den Rennmodus zu schalten und das nötige Gefühl zu bekommen. Man trainiert dabei sehr gut die Reaktionen.


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Haben Sie trotzdem Angst, dass Sie abgesehen von ein paar Testfahrten nach neun Monaten Pause etwas eingerostet sind?

Wittmann: Wenn ich Angst hätte, wäre ich falsch in meinem Sport. Außerdem geht es ja den anderen Fahrern genauso. Es hat keiner einen Erfahrungsvorsprung. Jetzt geht es darum, wer es am schnellsten schafft, sich wieder zu adaptieren und bei hundert Prozent zu sein. Natürlich ist auch die große Frage, wie konkurrenzfähig man ist. Im Winter wurde viel geschraubt, um das BMW-Paket zu verbessern.

Auch wenn Sie die Leistungsfähigkeit des Autos noch nicht abschätzen können: Als zweimaliger DTM-Champion kann es nur ein Ziel geben oder?

Wittmann: Natürlich muss man abwarten, wie konkurrenzfähig man ist. Man muss Podien einfahren und möglichst oft weit vorne stehen. Das ist das erste kleinere Ziel und wenn man merkt, dass das funktioniert, dann ist das Ziel auf jeden Fall der Titel.

Wird der schärfste Konkurrent wieder René Rast sein?

Wittmann: So pauschal lässt sich das nicht sagen. René hat die letzten Jahre einen extrem guten Job mit Audi gemacht, den muss man ganz klar auf der Liste haben, aber auch Nico Müller war vergangene Saison stark. Dann gibt es ein paar Rookies, die bei den Tests sehr schnell waren. In der DTM muss man immer mehrere Fahrer auf dem Zettel haben, die um das Podium und um Siege fahren können. Am Ende kristallisieren sich dann meistens zwei, drei, vielleicht auch vier Fahrer heraus, die ein Wörtchen um den Titel mitreden können.


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Einige Kollegen haben die Pause genutzt, um virtuelle Rennen zu fahren. Sie haben sich da eher rausgehalten, wieso?

Wittmann: Ich bin ein Mensch der Realität. (lacht) Auch von den virtuellen Treffen mit Skype oder Zoom bin ich einfach kein Fan. Ich bin ein Freund von direktem Kontakt und Vier- oder Sechs-Augen-Gesprächen. Und das betrifft auch das Sim-Racing. Ich möchte auf die echte Strecke gehen und am Lenkrad drehen. Das ist nicht meine DNA. Meine DNA sind echte Rennen.

Wie groß ist die Vorfreude, dass die Saison jetzt doch noch mit Verspätung losgeht?

Wittmann: Die Freude ist riesig. Es ist ja nicht nur unser Beruf, sondern für mich schon immer eine Leidenschaft. Wenn man so lange pausieren muss, ist das bedrückend. Wir waren alle auf unsere Weise im Alltag eingeengt, jetzt ist man froh, wieder im Rennauto sitzen zu dürfen. Das ist das, wofür ich brenne.

Wie bitter ist es für Sie, dass das Heimrennen am Norisring ausfällt?

Wittmann: Sehr bitter. Ich war sehr eng im Austausch mit dem Motorsport-Club Nürnberg und wir haben irgendwie versucht, dieses Event auf die Beine zu stellen. Die große Thematik war die Kostendeckung, da es ja keine Zuschauereinnahmen gegeben hätte. Ich denke, dass wir ein gutes Konzept hatten, aber am Ende hat die Stadt kein grünes Licht gegeben. Das ist natürlich enttäuschend, letztlich stand der Sicherheitsaspekt ganz klar an erster Stelle. Hoffen wir, dass es 2021 wieder klappt.

Während der Pause hat Audi bekannt gegeben, sich am Ende der Saison aus der DTM zurückzuziehen. Wie groß ist Ihre Angst, dass es die Serie in Zukunft nicht mehr geben wird?

Wittmann: Im Moment weiß niemand, wie die Zukunft aussieht, vielleicht abgesehen von Gerhard Berger. Es ist enttäuschend, weil ich glaube, dass wir eine gute Zukunft hätten haben können. Es wurde viel über Hybridisierung gesprochen, da standen viele Möglichkeiten im Raum. Für mich als Fahrer ist es entscheidend, den Fokus auf die Saison zu richten und voll zu performen. Was darüber hinausgeht, liegt ohnehin nicht in meinen Händen. Natürlich gibt es die Hoffnung, dass es weitergeht, aber jetzt, da der Saisonauftakt vor der Tür steht, muss man diese Gedanken ausblenden.


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"Voll performen" bedeutet: Die kommenden Rennen sind auch eine Art Bewerbung?

Wittmann: Ich habe, glaube ich, in den letzten Jahren schon meine Bewerbung abgegeben. Das soll nicht überheblich klingen, aber ich finde, dass ich in den letzten Jahren immer abgeliefert habe. Ich versuche diese Saison anzugehen wie jede andere, meine Leistung abzurufen und das Beste herauszuholen.

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