Bekenntnisse eines Zuhälters

23.4.2015, 07:28 Uhr
Bekenntnisse eines Zuhälters

© missingFILMs/dpa

Der brutale Vater wollte den Säugling erfrieren lassen, die Mutter zog den Sohn ab seinem sechsten Lebensjahr zu ihrem Sexsklaven heran. Anfangs sind es intime Zärtlichkeiten, die sich der Junge noch gerne gefallen lässt. Er kann es ja nicht besser wissen. Doch als er zwölf ist, erklärt ihm die Mutter unmissverständlich: „Dein Schwanz gehört mir!“.

Jahre später bringt es Andreas Marquardt als Zuhälter in Berlin zu viel Geld, mit seinen Prostituierten verfährt er nach dem Motto Zuckerbrot und Peitsche. Als er eine von ihnen fast zu Tode prügelt, landet er im Gefängnis. Insgesamt acht Jahre verbringt er in Haft, macht eine Therapie, die er sich erzwingen muss. Heute trainiert Marquardt, der im Film auch selbst zu Wort kommt, Berliner Kinder in Karate, damit sie selbstbewusst werden und sich gegen sexuellen Missbrauch wehren können.

Es ist ein immer noch tabubelegtes Thema, das Rosa von Praunheim am Beispiel Marquardts aufgreift. Er tut es auf überaus sensible, formal bestechend stringente Weise. Schwarzweiß gefilmte Spielszenen in theaterähnlichen Kulissen führen zurück in die Zeit des Martyriums des jungen Andi. Von Praunheim erspart dem Zuschauer explizite Bilder, er zeigt nicht das Opfer, sondern die Täter – den Vater, die übergriffige Mutter (zwischen Diabolik und Komik großartig gespielt von Katy Karrenbauer als übersexualisierte Domina).

Als junger Erwachsener und Zuhälter wird Marquardt von Hanno Koffler verkörpert, der diesem brutalen Wüterich, dieser tickenden Zeitbombe eine beängstigende Präsenz verleiht. Marquardt hatte zu dieser Zeit wohl längst alle Gefühle verbarrikadiert, selbst Marion (Luise Heyer), die Frau, die er wirklich liebt und mit der er bis heute zusammenlebt, quält und schlägt er nach Belieben.

Rosa von Praunheim urteilt nicht über seinen Protagonisten. Er zeigt, wie aus dem Missbrauch und zutiefst verletzten Schamgefühl des Kindes Marquardts „Hassprogramm gegen Frauen“ entstand. Dass der heute 59- Jährige in ein neues Leben gefunden hat, hat er Marion und seinem Therapeuten Jürgen Lemke (der am Drehbuch mitschrieb) zu verdanken, aber auch seiner eigenen Stärke, die er sich schon früh als Karatekämpfer erwarb. (D/89 Min.; Filmhaus, Nbg.; Marquardt und Lemke sind am Samstag nach der 19-Uhr-Vorstellung zu Gast; ob Rosa von Praunheim kommt, ist noch unsicher)

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