Dampfer, Canadi, Club: Thomas Grethlein kümmert sich

28.8.2019, 05:49 Uhr
Dampfer, Canadi, Club: Thomas Grethlein kümmert sich

© Foto: Daniel Marr/Zink

Gefühlt lag die Windstärke schon bei zehn, als Halbzeit war in Sandhausen, ein so schlechter Auftritt, überlegt Thomas Grethlein, sei ihm aus den vergangenen zehn Jahren nicht erinnerlich. "Ein bisschen besorgt" sei man nach dem 2:3 im Hardtwaldstadion im Aufsichtsrat des 1.FC Nürnberg schon gewesen, sagt dessen Vorsitzender Grethlein, "so etwas tut weh und verunsichert, aber wir waren weit davon entfernt, nervös geworden zu sein".

Der Sturm hat sich zwei Wochen später beruhigt, wenigstens vorerst; jetzt, da bald der Herbst beginnt, fasst Thomas Grethlein den Auftrag an den Trainer so zusammen: "Sie haben einen Dampfer auf hoher See übernommen und möchten den zur schnellen Yacht umbauen, leider können Sie dafür nicht ins Trockendock fahren, sondern müssen den Umbau auf hoher See vornehmen." So hat er es Damir Canadi erklärt, dem habe, glaubt Grethlein, die Metapher gefallen, auch der Nachsatz: "Unter stürmischen Bedingungen" müsse das geschehen, fielen die Ergebnisse nicht wie erhofft aus.

Die Mahnung von 2014

Bisher galt das für genau die Hälfte der Ergebnisse, zwei von vier Zweitliga-Spielen hat der Bundesliga-Absteiger verloren, gegen den HSV und in Sandhausen, jeweils in besorgniserregender Weise. Man hat noch nicht den Eindruck, der Dampfer lege auffällig an Geschwindigkeit zu. "Der Start war holpriger, als wir es erwartet hatten", sagt Grethlein, nervös wirkt er beim Besuch im Pressehaus aber tatsächlich nicht.

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Zum einen "war uns klar, dass es für diesen Umbruch Zeit braucht, die Spieler müssen neue Wege gehen, sich anders verhalten". Zum anderen hat Grethlein viel stürmischere Zeiten erlebt. Im "spektakulären, fast tumulthaften Jahr 2014", wie er selbst sagt, wurde aus dem glühenden Club-Fan Grethlein fast über Nacht erst ein Mitglied des Aufsichtsrates, dann dessen Vorsitzender. Freunde, erzählt er, hätten ihn zu einer Kandidatur gedrängt, als "Nobody" (Grethlein über Grethlein) rechnete er nicht damit, überhaupt gewählt zu werden.

Es kam anders, "eigentlich nicht glücklich", sagt Grethlein rückblickend, sei er mit diesem schnellen Aufstieg zum Vorsitzenden gewesen, zum höchsten Repräsentanten des Vereins. Aber viele Menschen im Club sahen in dem Unternehmer, der in Philosophie promoviert hat, das, was dem zerrissenen und hoch verschuldeten 1.FC Nürnberg damals fehlte: einen Ruhepol. Grethlein stellte sich der Aufgabe, eine Prämisse hat er aus den ersten Monaten seiner Amtszeit, als der Verein nahe am Konkurs stand, mitgenommen. "Wir gehen keine Risiken ein, die uns in eine Situation bringen, wie wir sie 2014 vorgefunden haben", sagt er.

Es gibt keinen Preis, um den ein Klassenverbleib garantiert zu haben wäre, für einen Aufstieg gilt dasselbe. Versprechen will Thomas Grethlein, ein Mann der leisen Töne, ergo nur so viel: "Auch wenn wir nicht aufsteigen sollten, werden wir in der nächsten Saison ein gesunder Verein sein." Dafür steht der Aufsichtsrat in der Verantwortung, das Kontrollgremium repräsentiert die Mitglieder des eingetragenen Vereins – die Menschen, die diesen Club lieben und leben, mit den unterschiedlichsten Bedürfnissen, Temperamenten, Wünschen und Anregungen. Es gab Momente, in denen Grethlein einzelnen Mitgliedern des Gremiums vorsichtig in Erinnerung rufen musste, dass das sportliche Tagesgeschäft nicht zu ihren Aufgaben zählt.

Auch wenn es manchmal so wirkt: Als Machtzentrum mag Thomas Grethlein den ehrenamtlich tätigen Aufsichtsrat nicht sehen, er begreift sein Amt eher als das eines Dieners des Vereins. Die sportlichen Geschicke liegen in den Händen der hauptamtlichen Mitarbeiter um Sportvorstand Robert Palikuca, "bei den Profis", wie Grethlein sagt; die Repräsentanten der Mitglieder blicken aufs große Ganze. "Wenn ihr es auf Dauer schlecht regelt, müssen wir eingreifen", etwa so, sagt Grethlein, lautet die Botschaft an die Vorstände.

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"Hanno ist mir ans Herz gewachsen"

Das eigene Temperament zu zügeln, hat Grethlein, 61 Jahre alt, gelernt, früher, "als Fan am Biertisch, hat man viel emotionaler über den Club geredet"; manchmal, sagt er, vermisst er diese naive Begeisterung. Aber der Fan steckt natürlich auch im Aufsichtsratsvorsitzenden noch. "Hanno ist mir ans Herz gewachsen, er ist ein toller Junge mit großartigen Verdiensten um den Club", sagt er zum Beispiel zur aktuellen Debatte um Kapitän Hanno Behrens, für den der Trainer Canadi zuletzt nur noch bedingt Verwendung fand.

 

"Auf vorbildliche Weise angenommen" habe Behrens die ungewohnte Rolle als Reservist; dass beim befreienden 1:0 über den VfL Osnabrück mit dem Publikumsliebling neue Energie eingewechselt wurde, hat Thomas Grethlein gefreut, indes: "Wer spielt, entscheidet der Trainer, jeder Profi weiß, dass er um seinen Platz kämpfen muss – und Hanno wird seinen Platz finden." Mit Stürmen, sogar mit schweren, kennt sich auch Behrens aus, er stammt aus einer Seefahrer-Familie aus Elmshorn. 

 

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