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Impfung mit Delfinen und beim Club: Wie Franken Ungeimpfte überzeugen will

22.7.2021, 17:34 Uhr
Mit Impfbussen wird vielerorts wie hier in Neumarkt versucht, die Hürden für die Corona-Impfung zu senken und den Menschen entgegenzukommen. 

© Philip Hauck, NN Mit Impfbussen wird vielerorts wie hier in Neumarkt versucht, die Hürden für die Corona-Impfung zu senken und den Menschen entgegenzukommen. 

Viele Gedanken hat man sich in Nürnberg darüber gemacht, wie man den Menschen, die Angst haben vor einer Corona-Impfung, die skeptisch sind, zögerlich oder einfach bequem, die Furcht nehmen könnte vor dem Piks, der sie künftig vor Infektionen oder zumindest schwerer Krankheit bewahren soll.

Gekommen ist man dabei auf: den Blauen Salon im Nürnberger Tiergarten. Der Blick durch die riesige Glasfront ins tiefe Blau, die gemächlich ihre Kreise ziehenden Delfine sollen helfen, bislang Ungeimpfte doch noch anzulocken.

Gewaltiger Impf-Einbruch in Nürnberg

"Für manche ist das Ambiente eben auch wichtig bei so einer Impfung", meint Ulrike Goeken-Haidl von der Koordinierungsstelle des Impfzentrums Nürnberg. Dort hat man zuletzt einen gewaltigen Einbruch der Impfzahlen verzeichnen müssen. Während man am Rekord-Tag, dem 11. Mai, insgesamt 3440 Impfungen durchführen konnte und auch Anfang Juli noch täglich 2000 Pikse verabreicht wurden, musste nun am 21. Juli mit lediglich 255 Impfungen ein neuer Tiefstwert verzeichnet werden.

"Die Situation hat sich komplett umgedreht. Vor vier Wochen hatten wir noch zu wenig Impfstoff und die Leute haben sich beklagt. Vor drei Wochen kam dann der Impfstoff-Flow und wir haben jetzt praktisch Impfstoff in unbegrenzter Menge", verdeutlicht Goeken-Haidl.

Deswegen versucht man nun verstärkt, Hürden abzubauen und zu den Menschen zu kommen. Mit der Aktion im Blauen Salon etwa, die bald durchgeführt werden soll. Aber auch mit einem Impfbus, der am Sonntag erstmals in Nürnberg zum Einsatz kommt und vor dem Max-Morlock-Stadion aufgestellt wird. Bevor der 1. FC Nürnberg auf den FC Erzgebirge Aue trifft, sollen dort möglichst viele Spritzen mit Johnson & Johnson auf Oberarme von Club-Fans treffen.

In den kommenden Wochen wird der Impfbus an verschiedenen Orten in der Stadt auftauchen, am 27. Juli etwa direkt auf dem Hauptmarkt, später auch in der Adlerstraße, die jüngst als "Summer Street" ihre Geburt als neue Erlebnismeile in der Innenstadt erlebte. "Wir werden uns auch vor Norma, Lidl oder Marktkauf aufstellen und versuchen, an die Leute ranzukommen", kündigt Goeken-Haidl an.

Chip-Ängste bei Asylbewerbern

Dazu kommen jede Menge dezentrale Impfaktionen, sehr erfolgreich zum Beispiel schon bei der türkisch-islamischen Organisation Ditib, am Samstag stehen nun 300 Impfdosen in der Islamischen Gemeinde der Bosniaken Deutschlands in Nürnberg zur Verfügung. Flugblätter in 17 Sprachen werden zudem in Gemeinschaftshäusern, Kulturläden oder Döner-Imbissen verteilt, um für das Impfen zu werben.

"Oft muss man da Ängste nehmen, gerade bei Asylbewerbern. Manche denken, sie werden dann sofort abgeschoben oder ihr Heimatstaat weiß dann durch einen bei der Impfung eingepflanzten Chip immer genau, wo die Menschen sich aufhalten", erklärt Goeken-Haidl.

Gostenhof von Impfwilligen überrannt

Wie erfolgreich dezentrale Impfaktionen sein können, erlebte man in Nürnberg erst am Sonntag im Nachbarschaftshaus in Gostenhof. "Das hat uns total geflasht", bekennt Goeken-Haidl. 500 Impfdosen waren bereitgestellt worden, am Ende mussten sogar noch 52 zusätzliche Dosen aus dem Impfzentrum geholt werden, so groß war der Zuspruch. Teilweise standen die Impfwilligen, die meisten davon zwischen 20 und 40 Jahre alt, bis zur rund 200 Meter entfernten Fürther Straße an.

Zusätzlich zu all diesen Aktionen hat auch das Impfzentrum die Hürden gesenkt. Dort kann man nun jederzeit zu den Öffnungszeiten auch ohne Termin zur Impfung vorbeikommen. Ähnlich ist das in vielen anderen Städten und Landkreisen der Region. So etwa im Nürnberger Land, wo sich im Impfzentrum in Röthenbach an der Pegnitz bis Ende Juli jeder ohne Anmeldung impfen lassen kann - auch Bewohner anderer Landkreise.

In den kommenden Wochen sollen zudem immer wieder dezentrale Sonderimpfaktionen angeboten werden, am kommenden Wochenende etwa beim BRK in Lauf, beim Sportverein TV 1877 Lauf oder in der Grundschule in Vorra. "Zu allen, denen es bisher zu aufwändig oder beschwerlich war, kommen wir jetzt quasi vor die Haustür", wie Landkreissprecherin Iris Bitzigeio sagt.

Jeder kann Impf-Locations vorschlagen

Jeder könne sich melden und geeignete Impf-Orte vorschlagen. "Wichtig ist vor allem, dass man die Leute da gut durchschleusen kann und kein Gedränge entsteht", betont Bitzigeio. Zuletzt wurden 30 Personen im Restaurant Schloss Oedenberg geimpft, zusätzlich 85 Impfwillige bei einer Sonderaktion für Asylbewerber.

Mit jedem Tag muss um jede einzelne Impfung mehr gekämpft werden als zuvor. So auch in Erlangen. Dort gibt es zwar keinen Impfbus, wohl aber mobile Impfteams mit Zelten. Die sind derzeit jeden Tag im Erlanger Westbad unterwegs, wo die Konzerte der Reihe "Kulturinsel Wöhrmühle" stattfinden.

An guten Tagen werden dort 25 Menschen geimpft, an schlechten weniger als zehn. Eigentlich steht das in keinem Verhältnis zum Aufwand. "Aber das kann man in der derzeitigen Situation eben nicht gegenrechnen, jede Impfung ist wichtig. Nicht nur die Zahl der Impfdosen ist entscheidend, sondern auch dass man vor Ort sichtbar ist, dass man mit den Leuten ins Gespräch kommt und sie eben später bei anderen Impfaktionen vorbeikommen", verdeutlicht Bodo Birk von der Koordinationsgruppe des Impfzentrums.

Impfung in Eltersdorf bei Spiel gegen Bayern München

Zusätzlich gibt es Impfaktionen in Schulen für Schüler ab 16 Jahren, aber auch deren Eltern, Freunde oder Nachbarn. Es wurden mehrere Aktionen zusammen mit den Tafeln auf die Beine gestellt, in der kommenden Woche sind zwei Impftage im Jobcenter angesetzt, weitere sollen in den großen Sportvereinen folgen. Und auch wenn der SC Eltersdorf am kommenden Dienstag in der Regionalliga auf die zweite Mannschaft des FC Bayern München trifft, wird vor Ort geimpft.

Früher als anderswo hat man in Stadt und Landkreis Fürth erkannt, wie wichtig es ist, die Hemmschwellen zu senken. Deshalb ist dort bereits seit dem 10. Juli ein Impfbus unterwegs. Zusätzlich steht zunächst bis 31. Juli ein Impf-Container auf der Fürther Freiheit. "An den ersten beiden Tagen wurden dort 101 Menschen geimpft", sagt Landkreissprecher Christian Ell. Auch Impf-Rettungswagen werden eingesetzt, am Freitagabend steht erstmals einer in der Fürther Gustavstraße.

"Wir waren überrascht wie schlagartig die Listen mit Impfwilligen leer waren", sagt der Erlanger Impf-Koordinator Bodo Birk. "Es gab ja Hochrechnungen zur Impfentwicklung. Aber es hat viel schneller nachgelassen als gedacht, binnen eineinhalb Wochen ist die Zahl der Impfungen massiv eingebrochen", bestätigt auch Iris Bitzigeio für den Landkreis Nürnberger Land.

Bratwürste und Einkaufsgutscheine als Impf-Belohnung

Durch die steigenden Infektionszahlen rechnen aber alle Verantwortlichen wieder mit mehr Interesse. Dezentrale Impfaktionen werden aber das entscheidende Mittel bleiben. Sehr vereinzelt wird auch auf Belohnungen gesetzt, wie bei einer für Samstag angesetzten Impfnacht in Kelheim, wo es nicht nur eine Spritze, sondern auch ein kostenloses Bratwurstbrötchen und ein Erfrischungsgetränk gibt.

Im Schwabacher Oro-Einkaufszentrum bekamen die ersten 100 Impflinge sogar einen Zehn-Euro-Einkaufsgutschein. In den meisten Städten und Landkreise werden solche Belohnungen aber abgelehnt. Dort muss der Blick auf Delfine beim Piks genügen.

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