Vereint im Protest gegen Großprojekt

Landkreis Ansbach: Bürgermeister stemmen sich gegen ICE-Werk

23.7.2021, 13:13 Uhr
Zuletzt protestierten Hunderte Demonstranten und Landwirte mit 130 Traktoren gegen ein ICE-Werk bei Heilsbronn.

© Ralf Straußberger Zuletzt protestierten Hunderte Demonstranten und Landwirte mit 130 Traktoren gegen ein ICE-Werk bei Heilsbronn.

Jürgen Pfeiffer vergleicht seine Stadt mit einem Mehrgenerationenhaus. Grundsätzlich hat hier jeder seinen Platz, ob jung oder alt, alleinstehend oder mit Familie, sagt der Bürgermeister von Heilsbronn. Aber wenn dann auch noch die "entfernte Verwandtschaft" einziehen möchte, wird es eng.

Gemeint ist damit das neue ICE-Werk der Deutschen Bahn, das bis 2028 in der Metropolregion Nürnberg gebaut werden soll.

Neun mögliche Standorte werden von der DB dafür geprüft, darunter mit Flächen bei den Heilsbronner Ortsteilen Ketteldorf und Müncherlbach auch zwei im Landkreis Ansbach. Hinzu kommt eine Fläche im angrenzenden Raitersaich im Landkreis Fürth.

Wie überall ist auch hier der Protest gegen das Großprojekt, das für 400 Millionen Euro realisiert werden und 450 neue Arbeitsplätze bringen soll, groß.

130 Traktoren

Erst vor kurzem haben sich drei Bürgerinitiativen für eine Demonstration in Müncherlbach zusammengeschlossen, rund 130 Traktoren rollten als Zeichen des Protests durch den kleinen Ort.

Das Werk wäre eine enorme Belastung für Mensch und Umwelt, sagt Pfeiffer. "Beide Standorte liegen in der Nähe der am dichtesten besiedelten Wohngebiete von Heilsbronn."

Laute Arbeiten in der Nacht wären vor allem angesichts der häufigen Westwindlage nicht für die Bürger zumutbar. Dazu komme der hohe Landverbrauch.

Angst um Ackerland

Zum einen würden die Entwicklungsmöglichkeiten von Heilsbronn dadurch eingeschränkt, zum anderen würden wertvolle Ackerflächen vernichtet, sollte ein Werk hier entstehen.

Ähnlich argumentieren auch Felix Fröhlich und Rainer Gegner als Bürgermeister des Marktes Rohr und der Gemeinde Roßtal.

Gegner fragt sich vor allem, wo die Wasserversorgung für das ICE-Werk herkommen soll. Der Verbrauch für die Wäsche der Züge sei hoch, mutmaßt er.

Die Brunnen in Roßtal seien jedoch "am Limit", vor allem in heißen Sommern hätte die Versorgung der Bevölkerung damit gerade noch so sichergestellt werden können. Dazu müsse ja auch das Abwasser entsorgt werden, so Gegner.

Zudem sei bei der möglichen Fläche bei Raittersaich auch wertvoller Wald bedroht. Sein Amtskollege Fröhlich blickt zudem mit Sorge auf die letzten, verheerenden Starkregen-Ereignisse auch in der Region.

Gegen Flächenversiegelung

Die Flutkatastrophe habe deutlich gezeigt, wie wichtig unversiegelte Flächen sind. Über 40 Hektar mit einem ICE-Werk zu überbauen, komme auch in dieser Hinsicht nicht in Frage, so Fröhlich.

Wie die anderen Bürgermeister auch stört er sich aber vor allem an der Haltung der Stadt Nürnberg. Hier hat der Stadtrat jetzt offiziell beschlossen, dass der mögliche Standort bei Altenfurt und Fischbach in keinem Fall in Frage kommt.

Söders "Bauchgrimmen"

Zuvor hatte auch Ministerpräsident Markus Söder (CSU) erklärt, "Bauchgrimmen" mit dem Areal zu haben, wo hektarweise Bannwald für das Werk gerodet werden müsste.

Das bayerische Forstministerium teilte wenig später mit, dass für das Projekt an dieser Stelle in keinem Fall Staatswald an die Bahn verkauft würde.

Die DB hat seither zwar immer wieder erklärt, das Prüfverfahren durchzuführen und erst dann zu entscheiden, mit welchen der neun Standorte sie ins Raumordnungsverfahren geht. Doch in Altenfurt/Fischbach dürfte es angesichts des Gegenwinds auch aus den Reihen der Staatsregierung sehr schwer werden.

Diese Tatsache kritisieren die drei Bürgermeister. "Die Vorteile des ICE-Werks liegen im Ballungsraum Nürnberg, dann darf man die damit verbundenen Belastungen nicht aufs Umland abschieben", sagt Jürgen Pfeiffer.

Nürnberg in der Pflicht

Die Stadt Nürnberg sei in der Pflicht, eine geeignete Fläche zu finden in geeigneter Nähe zum Hauptbahnhof zu finden, von wo aus die 25 täglich zu wartenden ICE-4-Züge wieder in den Betrieb gehen, so Pfeiffer.

"Wir haben nicht den politischen Rückhalt wie Nürnberg", sagt Pfeiffer. Aber die Unterstützung müsse für alle möglichen Standorte gleich sein.

"Wir wollen genauso Schutz", fordert auch Rainer Gegner. Und Felix Fröhlich beklagt mit Blick auf Altenfurt/Fischbach eine "Schieflage auf politischer Ebene".

Es wundere ihn, wenn Nürnbergs Oberbürgermeister Marcus König (CSU) erklärte, ein Nürnberger ICE-Werk zu wollen, dann aber zu sagen, "das gehört aufs Land".

Die Argumente der Stadt Nürnberg gegen ein Werk in Altenfurt/Fischbach würden genauso für die anderen Flächen gelten. "Das soll jetzt nicht auf einen Stadt-Land-Konflikt rauslaufen, aber so läuft es nicht ganz fair", so Fröhlich.

Ruf nach Unterstützung

Ähnlich hatten sich bereits im Juni auch andere Bürgermeister geäußert, nachdem Söder bei einer Talkveranstaltung der Nürnberger Nachrichten erklärt hatte, er sei sich "relativ sicher", dass das Werk nicht bei Altenfurt/Fischbach entstehen werde.

In den Augen von Feuchts Bürgermeister Jörg Kotzur war das eine "einseitige Unterstützung", vom Ministerpräsidenten hätte er sich "mehr Solidarität" auch mit anderen möglichen Standorten erwartet.

"Da fühle ich mich alleine gelassen", so Kotzur damals. In Feucht prüft die Bahn zwei Flächen. Zum einen auf dem Gelände der ehemaligen Heeres-Munitionsanstalt (Muna), zum anderen ein Areal südlich davon. Auch hier wäre Bannwald betroffen.

Schlinge um den Hals

Der Schwarzenbrucker Bürgermeister Markus Holzammer (CSU) hatte Söders Äußerungen ebenfalls mit etwas Befremden aufgenommen. "Die Schlinge um den eigenen Hals" werde enger, wenn andere Standorte schon vor einem Raumordnungsverfahren de facto zum Tabu erklärt würden.

Heilsbronns Bürgermeister Pfeiffer erklärt, man würde den Protest gegen das ICE-Werk vor der eigenen Haustür in jedem Fall "aktiv" halten und auch der Bahn konkret alle Argumente gegen den Standort weitergeben. "Die Bahn hat ja zugesichert, dass sie das in ihre Überlegungen einfließen lässt."

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