Bewährung abgelehnt: Dem "Drachenlord" droht Gefängnis

4.3.2021, 15:16 Uhr
Rainer Winkler, besser bekannt als der "Drachenlord" sorgt in seinem Heimatort weiter für Wirbel und stand erneut vor Gericht. 

© Drachenlord/Youtube Rainer Winkler, besser bekannt als der "Drachenlord" sorgt in seinem Heimatort weiter für Wirbel und stand erneut vor Gericht. 

Es ist ein Spiel, die Regeln sind kaum noch zu durchschauen, fest steht nur: Das Spiel um Rainer Winkler, den selbst ernannten "Drachenlord", kommt den Steuerzahler teuer zu stehen. Zum "Drachengame" gehört - selbst in Corona-Zeiten - für einige die Fahrt in den 40-Seelen-Ort Altschauerberg bei Emskirchen im Landkreis Neustadt an der Aisch/Bad Windsheim. Der Besuch auf dem Hügel, das Herumhängen vor einem baufälligen Haus. Die "Drachenschanze", das Haus, in dem Rainer Winkler wohnt.


Haben Drachenlord-Hater Straßennamen auf Google Maps geändert?


"Wir bringen dich in den Knast" soll einer dieser Besucher, ein so genannter Hater, am 23. Dezember 2019 um 17.18 Uhr vor dieser "Drachenburg" geschrien haben. Das Ziel: "Rainerle", wie der Besucher und dessen Begleiter Rainer Winkler nannten, zu provozieren. Kein sonderlich schwieriger Plan, denn das "Rainerle" nennt sich zwar selbst ein "Mobbing-Opfer", lechzt aber gleichzeitig nach Aufmerksamkeit, selbst wenn sie verachtend ist. So ist zu erklären, dass das Internetphänomen, das Spiel um die "Drachenschanze", schon vor Jahren als "Schanzenfest" vom Internet in die echte Welt hinüber geschwappt ist - eine Art Volksfest mit Bier, Picknick, Fans und Anti-Drachen-Fans.

Ein Auflauf, der die Anwohner nervt, mehrere Kräfte des örtlichen Ordnungsamtes schier tagtäglich bindet, die Polizeibeamten in Neustadt an der Aisch auf Trab hält, die Justiz beschäftigt und vom Steuerzahler bezahlt werden muss.

Drachenlord: Hass, Mobbing, Kindergarten-Spielchen

Die Vorwürfe der Anklage, die am Amtsgericht Neustadt an der Aisch zu hören sind, klingen gleichermaßen nach Hass, Mobbing und Kindergarten-Spielchen: Am 23. Dezember 2019 schafften es zwei junge Männer direkt bis zum Balkon des Anwesens (sie müssen sich in einem eigenen Strafverfahren wohl gesondert verantworten) und hielten es für einen gelungenen Spaß, Rainer Winkler aus der Reserve zu locken. Sie verunglimpften dessen verstorbenen Vater mit üblen Sprüchen aus der untersten Fäkalschublade, wohl wissend dass der schwergewichtige Winkler ganz leicht in die Luft geht.


Ein Hater erklärt: Daher kommt die Wut auf den Drachenlord


Er titulierte sie als "Hurensöhne, hässliche Bastarde, Hackfressen" und schlug beide Männer mit der Faust. Eineinhalb Jahre später sieht es am Amtsgericht Neustadt an der Aisch so aus, als könnte die Mission "Wir bringen dich in den Knast" nach provozierten Körperverletzungen und Beleidigungen tatsächlich aufgehen. Denn in der Staatsanwaltschaft stapeln sich die Vorwürfe gegen Rainer Winkler, und so werden noch weitere Anklagen verlesen.

Polizisten übel beleidigt

Im Amtsgericht - für den Termin wurde, um nicht zu viele Zuschauer anzulocken, nicht gerade geworben - ist der Zuschauerraum relativ leer. Rainer Winkler sitzt mit Rechtsanwalt und Bewährungshelfer im Saal, zu den Vorwürfen schweigt er.


Drachenlord: Auch Corona stoppt die Hater nicht


Viel zu erklären ist ohnehin kaum möglich, hat er doch viele seiner ausgestoßenen Beleidigungen selbst aufgezeichnet. Den Großteil der Polizei in Neustadt könne man "in die Tonne treten", die Beamten bekämen ihren "verdammten, fetten, hässlichen Arsch" nicht hoch, so tönte er am 9. August 2019 über seinen Live-Stream im Netz, die Polizisten beleidigte er als "Wichser". Nur wenige Tage zuvor, am 3. August 2019, sagte er einem Beamten ins Gesicht, er solle "das Maul halten" - dabei hatte Winkler die Polizeistreife selbst zu sich nach Altschauerberg gerufen. In jener Nacht warf er zudem mit einem Backstein auf einen Mann vor seinem Anwesen.

Am 6. September 2019 schlug er einem weiteren Eindringling vor seinem Haus eine Taschenlampe gegen die Stirn, am 23. November 2019 alarmierte er erneut die Polizei. Wieder ging es um Ruhestörung, diesmal nannte er einen Polizisten noch am Telefon "Arschloch" und schickte in einem Live-Stream und einem YouTube-Video einige deftige Sätze hinterher.

Am 12. Juni 2020 hetzte er erneut via YouTube-Video gegen die örtliche Polizei. Untätig säßen die Beamten nur in ihre Autos herum und spielten mit ihren Handys. Für ihn ein Beleg der "deutschen Arbeitsmoral".


Vor Drachenlord-Geburtstag: Polizeieinsatz in Emskirchen


Winkler steht aufgrund derartiger Beleidigungen und Körperverletzungen bereits unter Bewährung, eine doppelte Bewährung, so bekommt er im Amtsgericht eindringlich erklärt, ist die ganz große Ausnahme. Um es vorweg zu nehmen: Ihm wird eine goldene Brücke vorbei am Gefängnis gebaut - doch er nimmt das Friedensangebot der Justiz nicht an. Die Amtsrichterin (weder sie, noch irgendein Prozessbeteiligter wollen ihren Namen veröffentlicht wissen) fährt eine doppelte Strategie: Mit Engelsgeduld macht sie Winkler begreiflich, wie er sich selbst aus seiner ausweglosen Situation befreien könnte. Gleichzeitig rasselt sie mit dem Säbel und erklärt ihm, dass sein Weg alternativ auch direkt ins Gefängnis führen könnte.

"Ich werde bestimmt entdeckt, egal wo ich wohne"

Die Idee: Eine Freiheitsstrafe, ausgesetzt zur Bewährung, verbunden mit einer engmaschigen Kontrolle via Bewährungsauflagen, soll Rainer Winkler langfristig ein neues Leben verschaffen. Seine IT-Kenntnisse ermöglichen eine Umschulung, übergangsweise könnte er von Sozialleistungen leben. Natürlich kann ihm weder Berufsverbot (er lebt als professioneller YouTuber) erteilt werden, noch kann er zu einem Umzug gezwungen werden. Doch sollte er seine YouTube-Karriere freiwillig an den Nagel hängen, würde er zumindest der Hater-Gemeinde keine neue Nahrung bieten und könnte sich selbst aus der Schusslinie nehmen. Und wenn er sein Elternhaus verkauft, ein Angebot der Gemeinde liegt angeblich vor, wäre er seine Schulden los und der unselige Belagerungszustand des Dorfes nähme ein Ende. Rainer Winkler mag sich mit dem Vorschlag nicht anfreunden. Schließlich habe er als Sonderschüler aus "dem Nichts" sein Geschäft aufgebaut, im Netz sei ihm ein Erfolg gelungen, den "höchstens 100 Leute in ganz Deutschland" vorweisen können. Er gibt sich skeptisch: "Ich werde bestimmt entdeckt, egal wo ich wohne."


Besuch beim Drachenlord: Männer verstoßen gegen Infektionsschutzregeln


Hat er den Schuss vor den Bug nicht gehört? Nimmt er das Damoklesschwert Knast, das über ihm schwebt, nicht wahr? Fakt ist, dass es der Justiz schwer fällt, bereits früher gegen ihn verhängte Strafen, etwa Arbeitsstunden, auch durchzusetzen. Keine Einrichtung will, dass er die staatlich verordneten Sozialstunden bei ihr ableistet, man fürchtet den "medialen Aufruhr", einen möglichen Ansturm der Hater, erklärt Winklers Bewährungshelfer. Sein Vorschlag klingt fast verzweifelt: Rainer Winkler könnte im Rahmen der Sozialstunden den Hof des Amtsgerichts kehren. Auch an dem geforderten Anti-Aggressions-Training nimmt Winkler nicht teil, angeblich könne er sich die Fahrten nach Nürnberg nicht leisten.

Opfer und Täter

Seit zehn Jahren, so berichtet der Bewährungshelfer, lebt Rainer Winkler als YouTuber Drachenlord, er habe kaum Freunde, soziale Kontakte pflege er über das Internet. Das Elternhaus, das er erbte, sei dringend renovierungsbedürftig, er steht bei der Krankenkasse und nach einem Kanalanschluss bei der Gemeinde in der Kreide, sein Konto werde längst gepfändet, und darüber ob er die Einnahmen durch die YouTube- Videos versteuern müsse, streite Winkler mit dem Finanzamt.

Eines der zentralen Probleme: Rainer Winkler weiß kaum, wie er sich selbst helfen kann. Seine YouTube-Karriere zu beenden käme in seinem Denken einem Existenzverlust gleich, er fühle sich gemobbt und sei in eine Opferrolle verfallen. Sich selbst und sein Grundstück zu verteidigen, halte er für sein gutes Recht - aus seiner Sicht müsse er eben ständig von der Polizei beschützt werden.

Gegen Ende des Verhandlungstages äußert sich Rainer Winkler dann doch noch selbst: "Ich bin definitiv nicht faul. Ich schreibe Bücher und mache Musik. Ich bin eventuell bereit, mich von YouTube zu trennen, wenn ich eine alternative Berufsmöglichkeit habe. Schon in der Schulzeit wurde ich gemobbt, deshalb habe ich keine besonders gute Ausbildungsmöglichkeit gehabt. Nach der Sonderschule habe ich keine Ausbildung gekriegt. Ich will schon verdienen, was ich jetzt habe, etwa 2000 Euro im Monat. Eher mehr. Ich habe auch eine Freundin, mit ihr will ich zusammen ziehen. Aber ich will ihr finanziell nicht zur Last fallen. Ich wollte gar nicht in dieser Form bekannt werden. Ich kann ja nicht einmal eine Stunde aus dem Haus gehen, ohne dass jemand über meinen Zaun auf mein Grundstück klettert."

Und doch - das Angebot Bewährungsstrafe gegen Aufgabe der YouTube-Karriere schlägt er aus. Was das heißt? Altschauerberg wird künftig auch weiterhin von Pilgern besucht werden. Selbst in Corona-Zeiten tauchen einige hartnäckige Anti-Fans dort auf, obgleich sie wegen der Hygiene-Verstöße finanziell in die Pflicht genommen werden, wie nebenbei am Amtsgericht zu erfahren ist. Und Rainer Winkler wird sich erneut als Angeklagter verantworten müssen. Das Amtsgericht Neustadt an der Aisch wird einen neuen Termin festsetzen. Sehr fraglich ist, ob er noch einmal die Chance auf eine Freiheitsstrafe, ausgesetzt zur Bewährung, erhalten wird.


Landesmedienanstalt will Zwangsgeld gegen Drachenlord verhängen


Und der Steuerzahler wird noch einige Zeit für das Volksfest an der Drachenburg aufkommen müssen - wie hoch die angefallenen Kosten bislang sind, muss offen bleiben.

Bereits auf eine Anfrage im Herbst 2019 hieß es: "Im Rahmen des allgemeinen Streifendienstes wird durch die Polizeiinspektion Neustadt an der Aisch auch der Bereich Emskirchen betreut. Bei Mitteilungen über Sicherheitsstörungen wird diesen durch Polizeipräsenz vor Ort auf den Grund gegangen und gegebenenfalls polizeiliche Maßnahmen im Rahmen des geltenden Eingriffsrecht ergriffen. Bei entsprechenden Einsatzlagen wird die Polizeiinspektion Neustadt an der Aisch auch unter Einbeziehung von Fremdkräften unterstützt. Eine Übersicht über etwaige Einsätze bzw. Maßnahmen an den konkret genannten Örtlichkeiten wird nicht geführt, daher können hierfür auch keine Kosten ermittelt bzw. herausgerechnet werden."