Vor 100 Jahren: Als der FCN erstmals Deutscher Meister wurde

13.6.2020, 10:25 Uhr
Vor dem Endspiel um die deutsche Meisterschaft in Frankfurt 1920 wurde erstmals in der Geschichte des Fußballs ein Sonderzug eingesetzt, um die vielen Fans aus Nürnberg und Fürth zu transportieren.

© Archiv 1. FC Nürnberg Vor dem Endspiel um die deutsche Meisterschaft in Frankfurt 1920 wurde erstmals in der Geschichte des Fußballs ein Sonderzug eingesetzt, um die vielen Fans aus Nürnberg und Fürth zu transportieren.

Vor den Kassenhäuschen des Frankfurter Germania-Stadions bilden sich am 13. Juni 1920 endlose Schlangen: Jeder hofft, ein Ticket für das Spiel um die deutsche Fußballmeisterschaft zu bekommen. Doch Tausende stehen vergeblich an, "nur" 35.000 Zuschauer kommen in die Arena an den Sandhöfer Wiesen.

Stunden vor dem Anpfiff der Partie des 1. FC Nürnberg gegen Spielvereinigung Fürth stehen die Besucher bereits dicht an dicht: Von den hinteren Plätzen ist das Spielfeld kaum zu sehen. Was heute völlig unvorstellbar ist: Geschäftstüchtige Fans haben Leitern mit ins Stadion gebracht und vermieten die oberste Sprosse für 25 Mark, jede weitere nach unten kostet fünf Mark weniger.


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Andere Anhänger haben Backsteine dabei, um von der kleinen Erhöhung aus über die Köpfe der Vorderleute zu sehen. Auch Busse parken direkt im Stadion, deren Fahrer vermieten die Dächer.

FCN schlägt Titelverteidiger Fürth & feiert erste Meisterschaft

Der Name der Sportstätte an den "Sandhöfer Wiesen" ist durchaus passend, wenn man sich das Spielfeld genauer anschaut. Von einem getrimmten Rasen, wie es heute Vorschrift ist, ist nichts zu sehen: Der ohnehin magere Grasbewuchs ist vor den Toren zu einem knochentrockenen Erdboden ausgefranst. Das tut der Spielfreude der beiden fränkischen Teams aber keinen Abbruch.

Die FCN-Elf im Frühjahr 1920: V.l.n.r., oben: Bark, Steinlein, Riegel, Stuhlfauth, Kalb, Popp, Bark. Unten: Szabo, Böß, Winter, Strobel, Kugler. Fast alle spielten im Endspiel.

Die FCN-Elf im Frühjahr 1920: V.l.n.r., oben: Bark, Steinlein, Riegel, Stuhlfauth, Kalb, Popp, Bark. Unten: Szabo, Böß, Winter, Strobel, Kugler. Fast alle spielten im Endspiel. © Archiv 1. FC Nürnberg

Die Spielvereinigung Fürth dominiert in den ersten Minuten, Club-Torhüter Heiner Stuhlfauth kann einen scharf geschossenen Ball gerade noch um den Pfosten lenken. Doch einen raschen Konter schließt Club-Spieler Luitpold Popp mit Volley überraschend zum 1:0 ab. Während die Fürther weiter stürmen und die Zuschauer mit Kabinettstückchen begeistern, steht Nürnbergs Abwehr wie eine Wand.


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Als in 73. Minute Nürnbergs Petar Szabo zum 2:0 einnetzt, ist die Partie entschieden: Fürth, Titelverteidiger von 1914, ist geschlagen (im Ersten Weltkrieg gab es keine Meisterschaften) und Nürnberg feiert seine erste deutsche Meisterschaft.

Franken als Fußball-Hotspot Deutschlands

In den 1920ern hat der Club einen richtigen Lauf: Fünfmal beendet der 1. FC Nürnberg die jeweilige Saison als Erster, die Fürther sichern sich in dem Jahrzehnt immerhin zwei Meisterschaften. Dass Franken damals der Fußball-Hotspot Deutschlands war, erklärt Fußball-Experte Christoph Bausenwein so: Als Industrie- und Arbeiterstädte hatten beide ein großes Spieler-Potenzial. Allerdings empfanden die zwei Mannschaften und ihre Fans eine lebhafte Abneigung gegeneinander. Die Antipathie der Anhängerschaft ist leider bis heute geblieben.

Der Artikel zur ersten deutschen Meisterschaft des Club im Fränkischen Kurier am 14. Juni 1920.

Der Artikel zur ersten deutschen Meisterschaft des Club im Fränkischen Kurier am 14. Juni 1920. © Fränkischer Kurier, Nürnberg. Archiv Verlag Nürnberger Presse

Club-Legende Stuhlfauth kam aus dem Arbeiterviertel Rabus (Südstadt), sein Mitspieler Popp (Torschütze im Finale) verdiente seinen Unterhalt als Postbote und Hühnerzüchter. Doch Fußball war keineswegs ausschließlich Arbeitersport: Um die Jahrhundertwende dribbelten vor allem Akademiker und Kaufleute, im Ersten Weltkrieg ergriff diese Freizeitgestaltung beim Militär dann weitere Schichten. Ihren Lebensunterhalt durften die Ball-Akrobaten nicht mit dem runden Leder verdienen: Der Deutsche Fußball Bund (DFB) verbot das Berufsspielertum ausdrücklich, erst nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Verdikt abgeschafft. In den 1920ern konnte der Verdacht heimlicher Geldzahlungen richtig Ärger einbringen.

Spesenvorgabe beim DFB: "Das war damals richtig skandalös"

"Das war damals richtig skandalös", berichtet der 60-jährige Fachbuch-Autor Bausenwein, " der DFB hatte akribisch genau festgelegt, welche und wieviel Spesen erlaubt sind. Man wollte damit das olympische Ideal hochhalten."

Torwart Heiner Stuhlfauth präsentiert stolz die Siegestrophäe "Viktoria".

Torwart Heiner Stuhlfauth präsentiert stolz die Siegestrophäe "Viktoria". © Archiv 1. FC Nürnberg

Für die Meisterschaft 1920 erhielten die Club-Spieler Medaillen, einen Pokal , eine Einladung zum Essen — aber kein Geld.

Die Vereine mussten einen Teil ihrer Eintrittsgelder bei Pflichtspielen an den DFB abführen. Viele versuchten, ihre Kasse durch Freundschaftsspiele zu füllen. Der 1. FC Nürnberg lud prominente Mannschaften aus der Schweiz, Österreich, England und Ungarn ein — nicht nur, um sich sportlich zu messen, sondern auch um sich finanziell gut zu polstern. Während der Inflationszeit der späten 1920er kam aber selbst der "ruhmreiche" FCN in Nöte.

Vor exakt 100 Jahren schienen die Zeiten dagegen noch golden für den Club: "Er war die berühmteste Mannschaft Deutschlands", sagt der gebürtige Nürnberger Bausenwein. Im Anschluss an das Frankfurter Finale schloss sich eine Rundreise durch Deutschland an, bei welcher der frisch gebackene Meister sieben Spiele absolvierte — alle erfolgreich, sowohl auf dem Platz wie für die Vereinskasse.

Doch bevor die Mannschaft zur 3000 Kilometer langen Deutschland-Tour aufbrach, ließ sie sich am Nürnberger Hauptbahnhof von 30.000 enthusiastischen Anhängern feiern. Es "erfüllten schallenden Hipp-Hipp-Hurra-Rufe die weite Halle", schrieb ein Beobachter. In der Fachzeitschrift Fußball begannen in den 1920ern Berichte über Club-Spiele häufig: "Bald nach Beginn stand bereits der Sieg der Nürnberger fest". Heute ist es leider nicht mehr so . . .

Zur Feier des ersten FCN-Meistertitels verlost die Lokalredaktion zehn Bände des Buches "Stuhlfauths Zeiten, Die goldenen Jahre des Fußballs." Schicken Sie Ihre E-Mail an: nn-verlosung@pressenetz.de. Wer kein Glück bei der Verlosung hat, kann Christoph Bausenweins Werk im Buchhandel für 24,90 Euro erwerben. Es ist im Verlag Die Werkstatt, Göttingen erschienen, ISBN: 978-3-7307-0322-9


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