Der FCN geht mit Herz und Hirn ins große Nervenspiel

7.7.2020, 11:52 Uhr
Brust raus, Köpfe oben: Mit einem neuen "Spirit" geht der Club in die Relegation gegen Ingolstadt.

Brust raus, Köpfe oben: Mit einem neuen "Spirit" geht der Club in die Relegation gegen Ingolstadt.

In den sozialen Medien verwandeln sich Profilbilder in rot-schwarze Balken, die Ultras beschwören in einem flammenden Appell den Zusammenhalt der großen "Club-Familie", und selbst der langjährige Publikumsliebling und Herzens-Nürnberger Javier Pinola ließ es sich nicht nehmen, aus dem fernen Argentinien mittels Videobotschaft ein bisschen moralische Aufbauhilfe zu leisten. An Unterstützung mangelt es dem 1. FC Nürnberg sicher nicht vor den zwei wichtigsten Spielen seiner jüngeren Vereinsgeschichte.

Auch Michael Wiesinger bemühte sich vor dem ersten Relegationskapitel heute Abend (18.15 Uhr/ZDF, DAZN, Amazon, Liveticker bei nordbayern.de) gegen den FC Ingolstadt 04, eine positive Grundstimmung zu verbreiten. Man habe "einen Pakt geschlossen: Lasst uns das zusammen angehen!", verkündete Nürnbergs Interimschefcoach, der in bislang zwei Pressekonferenzen vermutlich schon mehr geredet hat als Vorgänger Jens Keller in seiner gesamten Amtszeit am Valznerweiher.


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Natürlich wurde im Kurz-Trainingslager in Bad Gögging auch auf dem Rasen "ein bisschen justiert" und "an ein paar Basics gearbeitet", berichtete Wiesinger und nannte exemplarisch eine resolutere Abwehrarbeit. Klar sei aber auch, "dass man mit ein paar Trainingseinheiten nicht alles auf dem Kopf stellen kann und will". Deshalb konzentrierten sich der 47-Jährige und sein Assistent Marek Mintal vor allem darauf, die Psyche ihrer Profis zu stärken. "Uns war wichtig, so schnell wie möglich das Vertrauen zu gewinnen und Offenheit herzustellen." Glaubt man Wiesingers Worten, scheint das gelungen zu sein. Einen "neuen Spirit" will Nürnbergs Nothelfer entdeckt haben, Körpersprache inklusive: "Die Brust ist wieder ein bisschen breiter, die Köpfe sind wieder oben."

Füreinander da sein, für den anderen Wege gehen, sich bei Fehlern helfen – immer wieder beschwört Wiesinger das Gemeinschaftsgefühl. Schon vor dem Anpfiff müsse sich die Mannschaft "emotional anzünden, on fire sein". Neben Herz ist aber auch Hirn gefragt. Einen offenen Schlagabtausch möchte der frühere Club-Kapitän unbedingt vermeiden, "das ist nicht meine Vorstellung von Fußball". Gegen eine körperlich robuste Mannschaft, die wenig Gegentore bekommt, auf Ballbesitz verzichtet und als "klares Stilmittel" den langen Ball bevorzugt, soll seine Elf "aus einer guten Grundordnung heraus den Weg nach vorne suchen". Überhaupt müsse man ja nicht gleich im ersten Spiel "alles einreißen", mahnt Wiesinger zur Geduld: "Es wird nicht alles in diesen 90 Minuten entschieden sein. Die Relegation ist immer ein Nervenspiel." In dem es zunächst darum geht, sich für das Rückspiel am Samstag eine passable Ausgangsposition zu erarbeiten. "Wir sind ja nicht naiv, blauäugig oder größenwahnsinnig", betont Wiesinger: "Aber wir sind der Zweitligist und möchten zu Hause gewinnen."


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Die Bilanz freilich spricht für den Herausforderer. In bisher elf Duellen setzte sich achtmal der klassentiefere Verein durch. "Der Drittligist kommt aus einer Siegesserie, hat den Flow, der Teamgeist ist da, und das Wir-Gefühl ist stärker als beim Zweitligisten, wo es nur drunter und drüber geht", stichelte Ingolstadts Coach Tomas Oral in Richtung Franken.

Damit es heute zumindest auf dem Platz nicht drunter und drüber geht, tüfteln Wiesinger und Mintal noch an der idealen Startformation. Personell bieten sich diverse Optionen, auch der zuletzt schmerzlich vermisste Innenverteidiger Konstantinos Mavropanos wäre wieder uneingeschränkt einsatzfähig. Mit Tim Handwerker, Enrico Valentini, Hanno Behrens, Asger Sörensen und Nikola Dovedan droht allerdings gleich fünf Profis für das Rückspiel eine Gelb-Sperre. Doch egal, wer heute das Vertrauen erhält – die Mission ist klar definiert: "Wir wollen hier weiter 2. Liga haben. Dafür müssen, sollen, wollen wir alles geben", beschloss Wiesinger seinen emotionalen Vortrag. Nicht nur Javier Pinola würde sich darüber gewiss sehr freuen.

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