Der Trainer erklärt

"Wollte ihn schützen": Darum spielte Fürths Paul Seguin erstmals unter Leitl nicht

Michael Fischer

Nürnberger Nachrichten

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23.3.2022, 06:00 Uhr
"Er nimmt sich die Situation in Fürth sehr zu Herzen": Paul Seguin (rechts) am Samstag nach dem 0:0 gegen Freiburg.

© Sportfoto Zink / Wolfgang Zink, Sportfoto Zink / Wolfgang Zink "Er nimmt sich die Situation in Fürth sehr zu Herzen": Paul Seguin (rechts) am Samstag nach dem 0:0 gegen Freiburg.

Wie schnell sich das Gedankenkarussell in seinem Kopf drehte, war Stefan Leitl anzusehen. Schon beim Zuhören wirkte der Trainer des Kleeblatts sehr nachdenklich, es war ja nicht irgendein Spieler, um den es in der Frage ging. Paul Seguin war in den vergangenen Jahren eines der prägenden Gesichter beim Kleeblatt. Er war Leitls verlängerter Arm auf dem Platz, der Mann, der das Spiel der Fürther jahrelang strukturierte, der voranging und seine Mannschaft zum Aufstieg führte.

Die Geschichte, wie Seguin seinen Trainer im Namen aller Kollegen überzeugte, in der Halbzeit des Aufstiegsspiels gegen Düsseldorf noch nicht an die Relegation zu denken, ist danach sehr oft erzählt worden. Das Kleeblatt lag damals ja mit 0:1 zurück, der Konkurrent aus Kiel führte, weshalb der Gedanke, Kräfte zu schonen für zwei Spiele gegen den 16. der Bundesliga, nahelag

Doch Seguin wollte noch nicht aufgeben, keine Kräfte schonen. Er wollte weitermachen, länger, als es sein Trainer wollte. Am Ende gab Stefan Leitl seiner Mannschaft die gewünschte Zeit - und die nutzte sie. Kiel verlor noch gegen Darmstadt, die Fürther gewannen 3:2 gegen Düsseldorf und stiegen somit doch direkt in die Bundesliga auf. Im Sommer danach war Paul Seguin voller Vorfreude, er hatte große Lust auf das Abenteuer, darauf, das Kleeblatt auch eine Liga höher anzuführen.

Die Vorfreude wich aber mit jeder weiteren Niederlage der Ernüchterung. Für einen so emotionalen und ehrgeizigen Fußballer wie ihn waren es extrem schwierige Monate. Doch so schwer er sich bisweilen auch tat, auf dem höchsten Niveau mitzuhalten, sein Trainer vertraute ihm. "Wenn er fit ist, spielt er immer", sagte Leitl in der Hinrunde. Das tat Seguin dann tatsächlich, in 24 von 26 Spielen stand der 26-Jährige in der Startelf, lediglich eine Gelbsperre und eine Erkältung zwangen ihn zweimal zum Zuschauen.

Am vergangenen Samstag aber musste er wieder zuschauen - obwohl er fit war. "Paul hat heute das erste Mal seit ich Trainer bin in Fürth nicht von Beginn an gespielt", sagte Stefan Leitl nach dem 0:0 gegen Freiburg. Es folgte eine kurze Pause, in der sich das Gedankenkarussell weiter drehte, in der der Trainer nach Worten suchte. "Weil...", wieder eine kurze Pause. "...nach der Bekanntgabe seines Wechsels ziemlich viel auf ihn hereingeprasselt ist und der Paul sich die Situation in Fürth sehr zu Herzen nimmt."

Vor zwei Wochen war ja bekanntgeworden, dass Seguin in der kommenden Saison für Union Berlin spielen wird, der Wechsel war aber bereits Mitte Februar fixiert worden. In den Spielen danach tat sich der Mittelfeldspieler noch ein bisschen schwerer, beim 1:6 gegen Leipzig waren im Ronhof sogar leise Pfiffe und ein allgemeiner Unmut zu vernehmen, wenn er einen Zweikampf verlor.

"Ich wollte ihn schützen und draußen lassen, dass er auch mal Zeit hat, durchzuatmen", begründete Leitl seine Entscheidung, Seguin zum ersten Mal seit dem 22. Februar 2019, als er in Heidenheim zur Pause eingewechselt worden war, auf die Bank zu setzen. Dann holte der Trainer aus zu einer kleinen Liebeserklärung - und formulierte einen klaren und deutlichen Wunsch an alle Menschen in Fürth. "Ich glaube, wir müssen alle den Hut vor seiner Leistung in den letzten Jahren hier ziehen, weil er die zentrale Figur im Aufstieg war. Deshalb ist es auch angebracht, ihn ordentlich in Richtung Union Berlin zu entlassen - von allen Seiten."

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