Im Kreisausschuss

Der Landkreis ERH wird "elektrisch"

18.3.2021, 05:54 Uhr
Der Landkreis ERH wird

© Hans von Draminski

Der Aufgaben- und Maßnahmenkatalog, den die auf solche Konzeptionen spezialisierte Consulting-Firma "Mobilitätswerk" aus Dresden aufgestellt hat, ist, wie es Herzogenaurachs Bürgermeister German Hacker formulierte, "eine Lebensaufgabe". Zumindest, wenn man ihn 1:1 abarbeiten will.

Damit ist das umfangreiche Konvolut auch keine Angelegenheit, über die der Kreisausschuss "eben mal so" befinden konnte und wollte. Weshalb aus dem Beschlussvorschlag, die Umsetzung des Konzepts abzusegnen, einer zur "konkreten Prüfung" der Planungen wurde. Mithin eine Absichtserklärung, kein Freibrief zur Verwirklichung, zumal über deren Kosten und deren Finanzierung in nicht wenigen Bereichen noch Fragezeichen stehen.

Gedrängt und vernuschelt

Was "Mobilitätswerk"-Geschäftsführer René Pessier in sehr gedrängter Form und "dank" der FFP2-Maske auch sehr vernuschelt (und deshalb für viele im Sitzungssaal des Landratsamtes nur schwer verständlich) vortrug, war ein großbogiger "Rundumschlag" mit einer Vielzahl von Aspekten zur Elektromobilität.

Eine Aufstellung, die streckenweise mit Vorsicht zu genießen ist, weil das zugrundeliegende Zahlenmaterial gezwungenermaßen aus dem vergangenen Jahr stammt und deshalb beispielsweise bei der Auflistung der derzeit verfügbaren Ladesäulen nicht aktuell sein kann.

Klimaschutzkonzept als Basis

Arbeitsbasis war das "Integrierte Klimaschutzkonzept für den Landkreis Erlangen-Höchstadt und seine Gemeinden". Einen Zwischenstand zur Mobilitäts-Analyse hatte es schon bei der Kreisausschuss-Sitzung Mitte Oktober 2020 gegeben. Mangelndes Detailbewusstsein kann man René Pessier und seinem Team nicht unterstellen. So wurden bei der Prognose, wohin sich die Nutzung von Elektrofahrzeugen entwickelt, sorgsam zwischen der privaten Nutzung von elektrisch angetriebenen Vehikeln einerseits und deren Einsatz durch den Landkreis und seine Kommunen andererseits unterschieden. Gemeinsam haben das private E-Bike und der elektrische Landkreis-Bus, dass sie regelmäßig geladen werden müssen und dass es bei der Ladeinfrastruktur auch in ERH noch Nachholbedarf gibt.

Auch Fuhrparks analysiert

Auch die Fuhrparks wurden auf ihre Potenziale hinsichtlich Elektrifizierung und Restrukturierung untersucht: So werden etwa im Erlanger Landratsamt Verbrenner-Autos nicht eins zu eins in vierrädrige Elektro-Gefährte umgetauscht, sondern auch E-Bikes angeschafft. "Ob die derzeitige Euphorie bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern anhält, wenn sie an Schlechtwettertagen mit dem Rad ins Umland fahren müssen, werden wir sehen", meinte Landrat Alexander Tritthart hörbar ironisch.

Bewährte Modelle weiterentwickeln

Buslinien wurden ebenfalls auf ihr Elektrifizierungspotenzial – Stichwort elektromobile Reichweite – abgeklopft. Ganz wichtig ist den Planern vom "Mobilitätswerk" ganz offensichtlich, das Thema Mobilität auch querzudenken und bewährte Modelle weiterzuentwickeln. So gibt es in ERH etwa in Herzogenaurach oder Adelsdorf gut angenommene Carsharing-Aktivitäten in Verbindung mit Elektromobilität, während beispielsweise in Höchstadt oder Baiersdorf entsprechende Projekte noch fehlen. Für das Jahr 2030 hat das "Mobilitätswerk" übrigens einen Mindestbedarf in ERH von 334 Wechselstrom-Ladepunkten (22 kWh/Stunde) und 112 Gleichstrom-Schnellladern errechnet.

Aus Sicht der steigenden Popularität der Elektromobilität, die auch von der auf insgesamt (inklusive Hersteller-Anteil) fast 10 000 Euro pro Neuwagen aufgestockten staatlichen Förderung profitiert, ist das wohl eher zu tief gestapelt; die tatsächlichen Zahlen dürften in neun Jahren wahrscheinlich höher liegen.

Infrastruktur wird aufgestockt

Klar ist, dass die Lade-Infrastruktur in den nächsten Jahren und Jahrzehnten massiv aufgestockt werden muss, wenn die Mobilitätswende hin zu erneuerbaren Energien geschafft werden soll. Für den ÖPNV soll eine Mindestquote lokal emissionsfreier Fahrzeuge vorgegeben werden. Dies ist nicht ohne Kostensteigerung zu schaffen. So rechnet der Landkreis bei der Anschaffung von 20 Elektrobussen nach Förderung mit Mehrkosten von rund 5 Millionen Euro im Vergleich zum Kauf konventioneller (Diesel-)Busse.

Busse: 200 Kilometer Reichweite pro Ladung

Aktuell liegt die Reichweite elektrischer Autobusse bei unter 200 Kilometern, ehe sie wieder an die Ladesäule müssen. Damit seien aber 96 Prozent aller derzeitigen Anforderungen im Linienbetrieb abdeckbar, heißt es dazu vom "Mobilitätswerk". Auch die Bauunternehmen will man künftig stärker in die Pflicht nehmen, damit bei künftigen Wohn- und Geschäfts-Neubauten Lademöglichkeiten für Elektroautos und E-Bikes von vornherein berücksichtigt werden. In Herzogenaurach sind in den vergangenen Jahren bei Wohngebiets-Sanierungen auch zahlreiche öffentliche Wechselstrom-Ladesäulen aufgestellt worden.

Manches ist nicht steuerbar

Herzogenaurachs Bürgermeister German Hacker und Alexander Tritthart gaben zu bedenken, dass der Landkreis mangels entsprechender Richtlinien vieles nicht steuern könne – etwa die Fuhrpark-Zusammensetzung der Omnibusunternehmen, die den Zuschlag für das Landkreis-Bussystem bekommen – und dass es angesichts begrenzter Haushaltsmittel sinnvoll sei, jeden Punkt des umfangreichen Paketes zur Elektromobilität einzeln zu betrachten.

Die Anpassung an die aktuellen Gegebenheiten ist gerade bei der sich schnell wandelnden Elektrofahrzeug-Szene ein Muss, will man kostspielige Fehlentwicklungen vermeiden. So steigt beispielsweise die Kapazität der E-Auto-Akkus mit jeder Fahrzeuggeneration. Entsprechend wichtig sind hochleistungsfähige Schnellladesäulen, die den Stromhunger schnell stillen können.

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