Analyse zum FCN-Aufwärtstrend: Liegt es an der Raute?

7.4.2021, 05:55 Uhr
Tom Krauß agierte in der Raute als linker Achter, Johannes Geis spielte auf der Sechs.

© Sportfoto Zink / Daniel Marr, Sportfoto Zink / Daniel Marr Tom Krauß agierte in der Raute als linker Achter, Johannes Geis spielte auf der Sechs.

Es ist natürlich immer die Frage im Fußball: Woran hat es gelegen? Beim 1. FC Nürnberg ist man ob der jüngeren Vereinshistorie und der misslungenen vergangenen Saison geneigt, diese Frage eher im Erfolgsfall zu stellen. Bei Niederlagen liegen die Antworten bekanntlich auf der Hand: Mal ist es die Chancenverwertung, mal die Durchschlagskraft, mal die Fehleranfälligkeit und meist die Mentalität.


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In den vergangenen beiden Partien holte der Club allerdings nicht nur vier Punkte, sondern verdiente sich diesen Aufwärtstrend auch durch sein aggressives und engagiertes Auftreten: Griffiger, giftiger und mutiger wirkte das Team von Cheftrainer Robert Klauß im Derby gegen die SpVgg Greuther Fürth und im Duell mit dem SC Paderborn. Natürlich fragt man sich dann: Woran hat es gelegen?

Ein möglicher Grund, von dem sich auch viele weitere Aspekte ableiten lassen, drängt sich mit einem Blick auf die taktische Formation auf: In den vergangenen beiden Spielen lief der Club im 4-4-2 mit Raute auf. Freilich: Im Prinzip ändert sich damit verglichen mit dem ansonsten oft gewählten 4-2-2-2 einzig die Positionierung der Mittelfeldspieler – und nicht die Intensität, nicht das Pressing, nicht der Spielaufbau. Oder doch?

Hohe Intensität, viele Sprints

Paderborn, Fürth, Darmstadt: In den bisher drei Spielen, in denen der ruhmreiche Altmeister (überwiegend) mit einer Raute im Mittelfeld agierte, überstieg die Anzahl der Sprints den Durchschnitt. Entsprechend freute sich Robert Klauß nach dem ersten Heimsieg 2021 im Nürnberger Achteck über den Auftritt seiner Mannschaft: "Wir haben wieder eine sehr hohe Intensität auf den Platz gebracht – was Sprintdaten und Laufwerte betrifft. Das war auch schon im Derby der Schlüssel." Aber natürlich fragt man sich als geneigter Club-Anhänger nun: Woran liegt es, dass der FCN plötzlich so viel mehr Tempo, Spritzigkeit und Vehemenz an den Tag legt? Hat die Mannschaft athletisch oder konditionell Fortschritte gemacht? Ist es eine Frage des Willens? Oder liegt es tatsächlich an der Grundordnung?


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Vielleicht. Die Korrelation zwischen dem gewählten System und den Sprintwerten legt zumindest eine Kausalität nahe. Dass die Berufsfußballer des 1. FC Nürnberg nun scheinbar öfter das Tempo anziehen, könnte auch eine Frage der Motivation sein, die schlicht durch Erfolgserlebnisse angeheizt werden kann. Heißt: Wer sieht, dass sein Engagement belohnt wird, dass der Laufweg funktioniert und sich rentiert, der versucht es immer und immer wieder. Und so störte auch der Club immer und immer wieder erfolgreich den Spielaufbau der Ostwestfalen, gewann Zweikämpfe, zwang den Gegner in die gewünschten Räume und griff dort zu.

Steffen Baumgart, der auf der Pressekonferenz von einem "mehr als verdienten Sieg" sprach, schätzte die Leistung der Hausherren als "viel bissiger, viel klarer" ein und bilanzierte schließlich: "Der Matchplan hat funktioniert. Bei uns? Null, gar nicht." Weil Paderborn seinen Ballbesitz kaum in aussichtsreiche Chancen ummünzen konnte und dieser überwiegend in der Abwehr- und in der Mittelfeldreihe stattfand. Weil der FCN den spielstarken Bundesliga-Absteiger seiner Qualitäten beraubte. Und, weil der Club dank eines kompakten Mittelfeldblocks ein Defizit, das große Teile der bisherigen Saison prägte, eliminierte.

Pressing des FCN: Zingerle, Schonlau, Okoroji – Ballgewinn!

Gelegen hat es unter anderem am Pressing. Klauß‘ Strategie, den Gegner zum langen Pass oder zum Aufbau auf den Außenbahnen zu zwingen, lässt sich beispielsweise in der sechsten Minute erkennen und anhand der drei involvierten Spieler in drei Situationen gliedern:

SCP-Torhüter Leopold Zingerle richtet sich das Leder zum Abschlag, seine beiden Innenverteidiger nehmen nah an der Grundlinie links und rechts neben dem Strafraum Platz. Die beiden FCN-Stürmer Erik Shuranov und Manuel Schäffler sowie Zehner Mats Möller Daehli postieren sich nahezu in einer geradlinigen Dreierkette vor dem Sechzehner, stehen damit in numerischer Überzahl gegen die Sechser und stellen diese zugleich zu, lassen aber Marcel Correia und Sebastian Schonlau frei - bewusst.


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Denn sobald Zingerle einen dieser beiden Abwehrmänner anspielt, läuft der ballnahe Stürmer ebendiesen forsch an. Dadurch setzt er ihn nicht nur unter Druck, sondern nimmt dem Ballführenden eine Option – nämlich den Sechser, der sich nun im Deckungsschatten von "Cheffe" in diesem Fall befindet, sich demnach zur Seite fallen lässt und von Mats Möller Daehli begleitet wird. Shuranov verhindert derweil einen Pass zum anderen Innenverteidiger. Entsprechend bleiben Schonlau nur zwei Optionen: ein weiter Schlag oder der Pass zum Außenverteidiger.

Letzteres ist der Fall. Chima Okoroji erhält den Ball an der Seitenauslinie, was allein durch ebendiese "natürliche" Begrenzung ein Pressing begünstigt. Welche Möglichkeiten hat der 23-Jährige nun? Eigentlich keine, außer dem weiten Schlag. Er ist komplett isoliert: Der Innenverteidiger wird von Schäffler, der ihn zuvor angelaufen hatte, zugestellt. Der Sechser aus dem Rücken des Nürnberger Sturmtanks wird bekanntlich von Möller Daehli kontrolliert. Enrico Valentini klebt am Außenstürmer und macht somit einen Pass entlang der Linie zwar nicht unmöglich, aber nicht aussichtsreich. Und Tom Krauß, in dieser Szene der ballnahe Achter, sticht aus der Raute heraus und attackiert Okoroji aus einem optimalen Winkel. Es bleibt nur der lange Ball, den Lukas Mühl schließlich sicher klären kann. In Summe erzielte der FCN das Gros seiner Ballgewinne nach diesem oder vergleichbarem Stickmuster auf den Flügeln.

Winkel und Dreiecke im Spielaufbau

Nicht nur gegen den Ball, sondern auch mit ihm spielte der FCN mitunter gefällig. Freilich: Innerhalb zweier Partien änderte sich nicht der komplette Offensivvortrag des ruhmreichen Altmeisters, zu dem weiterhin vorhandenen Stückwerk gesellt sich allerdings zunehmend die ein oder andere Passstafette. Auch diese Entwicklung ist vor dem Hintergrund der Formation zu erklären: Durch die versetzte Positionierung im Mittelfeld bieten sich den Akteuren gute Winkel und Dreiecke, die ein schnelles Kurzpassspiel ermöglichen.


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Summa summarum scheint das 4-4-2 mit Raute gut zum 1. FC Nürnberg, den Stärken und Schwächen der sich ergänzenden Mittelfeldspieler und natürlich auch zur Spielanlage der letzten Gegner zu passen. Natürlich fragt man sich jetzt: Warum setzt der Herz- und Schmerzverein aus der Noris erst jetzt, nach über 20 Spieltagen, auf dieses System? Vielleicht weil es für die Zehn in dieser Formation einen starken Spielmacher, einen kreativen Feingeist wie Mats Möller Daehli braucht, der bekanntlich erst im Winter an den Valznerweiher wechselte. Vielleicht ist das zumindest ein Aspekt der sicherlich vielschichtigen Antwort auf die Frage: Woran hat es gelegen? Die Frage stellt man sich ja immer im Fußball. Am Neuen Zabo ist es derzeit nur angenehmer, ihr nachzugehen.

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