Beziehung

Bindungsangst: Wie man sie erkennt und überwindet

Elias Thiel

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28.9.2023, 15:16 Uhr
Gerade noch vertraut und intim - und plötzlich zieht der Partner sich zurück: Das ist ein Anzeichen für Bindungsangst.

© PantherMedia / George Mdivanian Gerade noch vertraut und intim - und plötzlich zieht der Partner sich zurück: Das ist ein Anzeichen für Bindungsangst.

In diesem Artikel:

Mit dem Begriff Bindungsangst ist die Angst vor Beziehungen und tiefen Verbindungen gemeint. Eine Person mit einer Bindungsstörung distanziert sich, sobald eine andere Person ihr emotional zu nah kommt. Dabei handelt es sich um eine Schutzstrategie vor Schmerz und Verlust, die aus vergangenen Beziehungserfahrungen bekannt ist.

Dabei gibt es einen Unterschied zwischen aktiver und passiver Bindungsangst. Bei aktiver Bindungsangst fürchtet sich die Person vor verbindlichen Beziehungen, wie beispielsweise der Entscheidung, zusammenzuziehen oder gemeinsam in den Urlaub zu fahren.

Das kann zu einem Verhalten führen, das man ein Wechselbad der Gefühle nennen könnte. In einem Moment kämpft sie um die Bezieung, kurz danach wird sie wieder abweisend. Betroffenen Personen wird deshalb oft eine Beziehungsunfähigkeit vorgeworfen. Unbewusst oder bewusst versuchen sie, Fehler beim Partner oder bei der Partnerin zu finden, um sich zu distanzieren und die Beziehung zu beenden. Insgeheim sehnen sie sich aber nach einer liebevollen Partnerschaft.

Die passive Bindungsangst betrifft in der Regel die Partner der aktiv Bindungsängstlichen. Sie versuchen, die Distanz zum Partner oder zur Partnerin zu überwinden und ihn oder sie unbedingt an sich zu binden. Betroffene haben also große Angst vor dem Verlust der Beziehung. Das geht oft damit einher, dass sie keine vernünftigen Grenzen in der Beziehung setzen und ihre eigenen Bedürfnisse vernachlässigen. Zudem reagieren sie oft mit heftiger Eifersucht, täuschen dann aber wieder gleichgültigkeit vor.

In diesem Artikel geht es vor allem um die aktive Bindungsangst.

Symptome der Bindungsangst

Die Symptome einer Bindungsangst sind vielfältig und komplex. In einigen Fällen meidet der Betroffene Beziehungen und bleibt lieber allein, andere haben nur oberflächliche Affären. Manche Menschen gehen zwar Beziehungen ein, verändern sich aber aufgrund ihrer Beziehungsphobie nach einiger Zeit und ziehen sich immer weiter zurück.

Eine Bindungsangst geht meist mit folgenden Verhaltensweisen einher:

  • Rückzug
  • Grundlose Vorwürfe
  • Geringes Verantwortungsgefühl
  • Überraschende Trennung
  • Verweigerung körperlicher Nähe
  • Weigerung, gemeinsame Zukunftspläne oder Ziele festzulegen
  • Emotionslosigkeit
  • Unentschlossenheit

Die Symptome können sich allerdings auch physisch äußern:

  • Herzrasen
  • Schweißausbrüche
  • Beklemmungsgefühl
  • Anspannung
  • Panikattacken

Meist werden solche Verhaltensweisen damit begründet, dass die Person noch nicht "bereit für eine feste Beziehung" ist. Die Verhaltensweisen haben jedoch meist den Zweck, sich nicht verletzbar oder abhängig von einer anderen Person zu machen. Das kann bewusst oder unterbewusst geschehen.

Die Ursachen für eine Bindungsangst können sehr unterschiedlich sein. Einige mögliche Ursachen sind:

Kindheitserinnerungen

Die Bindungsangst kann beispielsweise aus Kindheitserinnerungen resultieren, wenn Kinder die Erfahrung machen mussten, dass ihre Eltern kein stabiler und sicherer Pol in ihrem Leben waren. Wenn Kinder vernachlässigt wurden, können sie starke Ängste vor emotionaler Nähe entwickeln. Die Abhängigkeit von den Eltern wurde als bedrohlich erlebt und die Erfahrungen werden auf jede neue Beziehung projiziert. Andernfalls können Menschen auch die Erfahrung gemacht haben, dass ihnen die Liebe entzogen wurde, wenn sie sich als Kind nicht in der gewünschten Weise verhalten haben.


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Negative Erfahrungen

Bindungsängste können im Erwachsenen- oder sogar im Jugendalter entstehen, sodass sich Menschen vor dem Schmerz eines Verlustes schützen wollen. Ursächlich können negative Erfahrungen aus vergangenen Beziehungen sein, die bei einigen Menschen zu enormer Angst vor festen Beziehungen führen.

Verlustangst

Bindungsangst geht häufig mit Verlustangst einher. Der Verlust eines geliebten Menschen führt in den meisten Fällen zu großem emotionalen Schmerz. Die betroffene Person möchte diesen Schmerz nicht noch einmal erleben und geht einer erneuten Beziehung daher frühzeitig aus dem Weg.

Selbstwertgefühl

Auch ein geringes Selbstwertgefühl führt dazu, dass sich Menschen nicht selbst und somit auch andere Menschen nicht lieben können.

Unabhängigkeit

Nicht nur negative oder traumatische Erfahrungen müssen eine Bindungsangst begünstigen. Einige Menschen haben sich an ihre Unabhängigkeit gewöhnt und wollen ihr Single-Leben nicht aufgeben, sondern ihre Freiheit behalten.

Betroffene, die unter Bindungsangst leiden, können schon durch Kleinigkeiten getriggert werden. Dies können die Planung des gemeinsamen ersten Urlaubs oder das erste Familientreffen sein. Andere Menschen verspüren die Angst auch erst bei größeren Entscheidungen wie der Hochzeit oder der Familienplanung. Bei jedem Menschen sind andere Situationen der Auslöser. Die Beziehungsangst tritt dann ein, wenn es der bindungsgestörten Person "zu viel wird". Dann geht sie auf Distanz - obwohl sie weiß, dass der Partner oder die Partnerin darunter leidet.

Kein Grund zur Sorge - eine Bindungsangst kann überwunden werden. Allerdings müssen sich die Betroffenen ihrer Bindungsangst bewusst werden und Verantwortung für das eigene Verhalten übernehmen. Danach können die Gründe und Ursachen für die Bindungsangst gesucht werden. Eine Paartherapie oder Psychotherapie können bei der Überwindung einer Bindungsangst sehr hilfreich sein.

Wichtig ist zunächst, dass sich die bindungsängstliche Person wirklich ändern will. Weiterbildung und -entwicklung sind somit ein wichtiger Bestandteil bei der Überwindung der Bindungsangst. Wichtig ist es, das eigene Selbstwertgefühl aufzubauen und gleichzeitig das Selbstvertrauen zu stärken. Dabei ist es sinnvoll, den Partner mit in den Prozess einzubeziehen.

Ohne therapeutische Hilfe können Betroffene und ihr Partner schnell in einen Teufelskreis geraten. Der Partner versucht, der bindungsängstlichen Person näherzukommen. Diese fühlt sich eingeengt und zieht sich daraufhin zurück. Der Partner rückt nach und drängt sie noch weiter in die Enge, bis sie sich trennt. Der Partner versucht sie zurückzugewinnen und es entsteht eine Abhängigkeit.

Ziel ist es, der bindungsängstlichen Person die Furcht zu nehmen, dass eine Beziehung so schlecht ablaufen wird, wie sie es glaubt. Mit der Bindungsangst des Partners sollte man sensibel umgehen, auch wenn dies nicht einfach ist. Bindungsängste lösen sich nicht durch einfache Argumentationen auf, sondern vielmehr durch positive Erfahrungen. Somit kann der oder die Betroffene die Ängste überwinden und Vertrauen aufbauen. Eine offene Kommunikation sorgt für Verständnis und räumt Unsicherheiten aus dem Weg.

Die Partner sollten der unter Bindungsangst leidenden Person nicht hinterherlaufen. Dadurch spürt der Phobiker nur noch mehr Angst und fühlt sich unter Druck gesetzt. Wer seinem Partner nachläuft, sorgt nur dafür, dass dieser eine noch größere Mauer um sich herum aufbaut. Daher sollten Partner lieber einen Schritt zurückgehen, sich ein Bild von der gesamten Situation machen und dem Gegenüber genügend Freiraum geben. Gleichzeitig kann man versuchen, die Gründe für das Verhalten und die Angst zu verstehen.

Wichtig: Die Partner sollten sich selbst nie die Schuld für die Abwehrhaltung der bindungsgestörten Person geben.

Bindungsangst beim Mann wird häufig dadurch ausgelöst, dass Männer Angst haben, in ihrer Partnerschaft eingeengt oder verlassen zu werden. Daher möchten sie nur für sich Verantwortung übernehmen und nicht auch für ihren Partner.

Wie verhalten sich Männer mit Bindungsangst?

Einige Männer wollen lieber oberflächliche Partnerschaften haben, als verletzt zu werden. Die meisten Männer sind sich ihrer eigenen Bindungsangst gar nicht bewusst und glauben daran, einfach noch nicht die richtige Frau gefunden zu haben.

Wie verhalten sich Frauen mit Bindungsangst?

Bindungsängste gibt es nicht nur bei Männern, sondern auch bei Frauen. Im Gegensatz zu Männern sagen bindungsängstliche Frauen meist, dass sie feste Partnerschaften eingehen wollen, tun aber alles dafür, dass eine ernsthafte Bindung nicht zustande kommt. Entweder sind sie extrem wählerisch, wollen ihren Freiraum, beenden urplötzlich die Beziehung oder suchen sich ausschließlich unerreichbare Partner. Diese können entweder verheiratet, vergeben oder beruflich sehr eingespannt sein.

Einige Menschen, die von jemandem mit Bindungsangst verlassen wurden, fragen sich, ob ihre große Liebe zu ihnen zurückkommen wird. Auch Menschen mit Bindungsangst können zu ihrem Ex-Partner zurückkehren. Dabei spielen allerdings die Intensität der Angst, die Umstände der Beziehung und die Bereitschaft, die Angst zu überwinden, eine entscheidende Rolle.

In der Regel beenden Bindungsphobiker frühzeitig ihre Beziehung, bevor diese ernst wird. Der Grund ist die Angst, die alle anderen Gefühle überwiegt. Die übermäßige Nähe setzt Menschen mit Bindungsangst unter Druck. Daher ist es für solche Menschen meist einfacher, die Beziehung frühzeitig zu beenden, anstatt an den Problemen zu arbeiten. Gleichzeitig befinden sich viele Menschen, die sich mit einem bindungsängstlichen Menschen treffen, in einer verzwickten On-Off-Beziehung, sodass die Partner nicht wissen, woran sie eigentlich sind.

Wichtig: Auch Menschen mit Bindungsangst haben das Bedürfnis nach Liebe und Nähe. Das bedeutet, dass sie auch Gefühle entwickeln können und sich eine Partnerschaft wünschen.

15 Anzeichen für eine Bindungsangst

Diese Verhaltensweisen können für eine Bindungsangst sprechen:

  1. Viele Bekanntschaften im Freundeskreis, aber keine langen Freundschaften pflegen können
  2. Bedürfnis nach Freiheit
  3. Eine Beziehung zu führen wirkt wie eine Herausforderung
  4. Geringes Selbstwertgefühl
  5. Widersprüchliche Gefühle (Suche nach Nähe, dann das Bedürfnis nach Distanz)
  6. Kritisch gegenüber dem Partner
  7. Angst vor ernsthaften Veränderungen (zum Beispiel mit dem Partner zusammenziehen)
  8. Unangenehmes Bauchgefühl beim Gedanken an eine feste Beziehung
  9. Keine langfristigen Beziehungen möglich
  10. Unzuverlässigkeit (Verabredungen absagen, Versprechungen nicht einhalten)
  11. Körperliche Symptome wie Schwitzen, Schwindel, Herzrasen, Kurzatmigkeit und Mundtrockenheit
  12. Angst vor dem Scheitern
  13. Streitlust
  14. Nur oberflächliche Beziehungen
  15. Vermehrte Dramatik in Beziehungen

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