Psychologie

Wie verhält sich ein Narzisst?

Elias Thiel

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6.9.2023, 16:18 Uhr
Narzissten sind sehr auf sich selbst fixiert. (Symbolbild)

© MabelAmber, Pixabay, LizenzCC Narzissten sind sehr auf sich selbst fixiert. (Symbolbild)

In diesem Artikel:

Narzissmus ist eine Eigenschaft, mit der man besonders selbstverliebte Menschen in Verbindung bringt. Aber wie tickt ein Narzisst wirklich und was sind die typischen Verhaltensmuster? Ab wann spricht man von einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung? Und woran erkennt man, dass man eben kein Narzisst ist?

Der Begriff Narzissmus bezeichnet eine übersteigerte Selbstverliebtheit. Er geht auf einen Mythos des römischen Dichters Ovid zurück. Dieser beschrieb einen Mann namens Narziss, der viele Verehrerinnen hatte, die ihn jedoch nicht interessierten, da er nur von sich selbst fasziniert war. Als er sein Spiegelbild im Wasser erblickte, verliebte er sich direkt und konnte sich fortan nicht mehr von dem Bild abwenden. Er starb an seiner unerfüllten Liebe, anstelle seines Leichnams fand man nur eine gelbe Blume - die Narzisse.

Narzisstische Persönlichkeitsstörung

Einige narzisstische Anteile tragen alle Menschen in sich. Dazu gehören wichtige und auch vorteilhafte Eigenschaften wie Selbstbewusstsein sowie eine gewisse Selbstbezogenheit. Diese ermöglichen es den Menschen, die eigenen Wünsche und Ziele wahrzunehmen, sich durchzusetzen und Erfolge zu erzielen. Wenn solche Persönlichkeitseigenschaften in Kombination auftreten, spricht man von einem Persönlichkeitsstil. Dieser wird vor allem in zwischenmenschlichen Beziehungen deutlich. Narzissten sind im Beruf häufig anerkannt und erfolgreich, tun sich im Privatleben aber oftmals schwerer.

Wenn die Ausprägung des Persönlichkeitsstils eines Individuums derart extrem ist, dass dabei die Lebensqualität beeinträchtigt wird, es zu (subjektivem) Leid oder häufigen Konflikten mit der Umwelt führt, spricht man von einer Persönlichkeitsstörung. Dann haben es haben es die Betroffenen schwer. Denn ihr eigenes Verhalten weicht stark von den Erwartungen ihres Umfelds ab.

Somit ist die Abgrenzung zwischen Narzissmus und einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung wichtig - der Übergang hingegen ist fließend.

In der Psychologie assoziiert man die folgenden Eigenschaften mit dem Narzissmus:

  1. Großartigkeit (im Verhalten und der Fantasie des Betroffenen)
  2. Mangel an Empathie
  3. Bedürfnis nach Bewunderung

Dazu kommen Dominanzverhalten, Selbstüberschätzung und eine enorme Empfindlichkeit gegenüber Kritik.

Die American Psychiatric Association hat ein bekanntes Klassifikationssystem, das auch die narzisstische Persönlichkeitsstörung umfasst. Demnach handelt es sich dabei wie oben beschrieben um ein tiefgreifendes Muster von Großartigkeit (in Gefühlen oder dem Verhalten), dem Bedürfnis nach Bewunderung und dem Mangel an Einfühlungsvermögen.

Um die klinische Diagnose zu stellen, müssen mindestens fünf der folgenden Kriterien erfüllt sein.

  1. übermäßiges Gefühl eigener Überlegenheit oder Wichtigkeit
  2. Verlangen nach bedingungsloser Bewunderung
  3. Fantasievorstellungen von unbegrenzter Macht, großen Erfolgen, Schönheit oder vollkommener Liebe
  4. Betroffene sind davon überzeugt, nur von anderen besonderen Personen wirklich verstanden zu werden
  5. übermäßiger Anspruch an andere Menschen
  6. Ausnutzung anderer, um die eigenen Ziele zu erreichen
  7. Mangel an Empathie
  8. Neid auf andere und der Glaube, dass andere einen beneiden
  9. überhebliche Handlungen und Verhaltensweisen

Obwohl häufig von "dem" Narzissten die Rede ist, tritt Narzissmus nicht nur beim männlichen, sondern auch beim weiblichen Geschlecht auf. Schätzungen zufolge sind etwa 70 Prozent der Narzissten Männer.

Die Ursachen für Narzissmus liegen meist in den Kindheitserfahrungen. Verhaltenstherapeuten identifizieren als mögliche Ursachen Vernachlässigungen, fehlende emotionaler Wärme in der Familie, ein zu starker Fokus auf die Leistungen und fehlende Anerkennung in der Erziehung. Aber auch eine materielle Verwöhnung oder unzureichende Grenzsetzungen können eine narzisstische Persönlichkeitsstörung begünstigen.

Bei Menschen mit einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung wurde in der Kindheit häufig das Bedürfnis nach Aufmerksamkeit und Zuwendung nicht oder nur unzureichend erfüllt. Teilweise erfolgte die Belohnung nur bei bestimmten Leistungen. Betroffene wurden nicht oder wenig wertgeschätzt und standen in ihrer Kindheit bereits häufig unter einem enormen Druck. Bei Schwäche oder Misserfolg wurden die späteren Narzissten abgelehnt, ignoriert oder sogar bestraft. Häufig wurde in den Familien auch nicht über Gefühle und Bedürfnisse gesprochen, den Kindern mangelte es an Zuwendung, Nähe und emotionaler Wärme. Oft haben narzisstische Menschen zumindest ein Elternteil, welches selbst übermäßig selbstverliebt war.

Eine narzisstische Persönlichkeitsstörung geht mit einem extremen Bedürfnis nach Anerkennung und Aufmerksamkeit einher. Teilweise stehen hinter dem selbstverliebten Auftreten Leid, Schmerz und ein eigentlich schwaches Selbstwertgefühl des Betroffenen.

Einer viel zitierten Studie von 2008 nach gibt es drei verschiedene Arten oder Subtypen von Narzissten:

  1. Offener (oder exhibitionistischer) Narzissmus: die klassische Form des Narzissmus - Betroffene halten sich selbst für großartig und stehen gerne im Rampenlicht, kommen durch ihr Selbstbewusstsein und ihre Leistungsorientierung aber oft gut im Job zurecht. Sie haben im Vergleich zu den anderen zwei Gruppen die wenigsten Nachteile durch ihren Narzissmus. Aber auch sie wirken arrogant und kommen mit Kritik schlecht zurecht.
  2. Grandios-maligner Narzissmus: die gefährlichste Form des Narzissmus. Hierbei handelt es sich um eine Kombination mit paranoidem, gewalttätigem und allgemein antisozialem Verhalten. Fühlt sich dieser Typ nicht angemessen behandelt oder gekränkt, rächen sie sich ohne Reue. Oft fühlen sich Betroffene zu einer bestimmten Aufgabe berufen, die sie mit allen Mitteln verfolgen, auch wenn sie anderen dabei Leid zufügen.
  3. Verdeckter (vulnerabel-fragiler) Narzissmus: die schwer erkennbare Narzissmus-Form. Betroffene sind leicht verletzlich und oft schüchtern. Deshalb treten sie ganz anders auf als offene Narzissten. Aber auch sie sind auf sich selbst fixiert und nicht gut imstande, mit anderen Menschen mitzufühlen. Mit Kritik können sie sehr schlecht umgehen.

Folgende Anzeichen passen vor allem zu den ersten zwei Narzissmus-Formen, können aber auch beim verdeckten Narzissten auftreten.

  • Bedürfnis nach Bewunderung
  • Übermäßige Selbstbezogenheit
  • Selbstidealisierung und Arroganz
  • Streben nach Dominanz
  • Mangel an Einfühlungsvermögen
  • Rastlosigkeit und Ungeduld
  • Überempfindlichkeit bei Kritik

Betroffene nehmen sich somit übermäßig wichtig wahr und wollen von anderen Menschen vor allem Bewunderung und eine bevorzugte Behandlung. Narzisstische Menschen nutzen oftmals andere Menschen aus, um ihre eigenen Ziele zu erreichen.

Insbesondere bei engen Bindungen werden die Auswirkungen der narzisstischen Persönlichkeitsstörung besonders deutlich. In Partnerschaften wird häufig von "narzisstischen Missbrauch" gesprochen. Der Narzisst zerstört häufig das Selbstwertgefühl der Beziehungspartner, sodass diese anderen Menschen nur noch schwer vertrauen können. Dennoch verlieben sich Menschen schnell in Narzissten, da diese nicht selten charismatisch auftreten. Zu Anfang der Beziehung sind sie oft besonders liebevoll und aufmerksam - Stichwort "Love Bombing".

Nicht grundlos wird Narzissmus von einigen Therapeuten auch als Beziehungsstörung interpretiert. Die dauerhafte Suche nach Bestätigung und die Dominanz erschweren es den Narzissten, aufrichtige und langfristige Beziehungen einzugehen. Aus einer solchen Beziehung zu entkommen ist nicht leicht. Unterstützung dabei können Bücher anbieten, wie zum Beispiel "Narzissmus in Beziehungen" von Sophie Schilling.

Die folgenden Schwierigkeiten können im Miteinander auftreten:

  • Der Narzisst muss immer im Mittelpunkt stehen
  • Es muss immer nach den Wünschen des Narzissten gehen
  • Der Narzisst muss immer der Bessere sein
  • Kritik wird nicht angenommen
  • Entschuldigungen fallen schwer und sind oft nicht aufrichtig
  • Narzissten meiden Nähe und sprechen nicht gerne über Gefühle
  • Unehrlichkeit
  • Beziehungspartner fühlen sich häufig ausgenutzt

Ein Mensch mit lediglich narzisstischer Persönlichkeitsausprägung ist charmant, ehrgeizig, selbstsicher, überzeugend und engagiert. Dagegen ist ein krankhafter Narzissmus durch Eigenschaften wie Arroganz, Rücksichtslosigkeit, Intoleranz, Ausbeutung, Verletzung und Manipulation geprägt.

An diesen Eigenschaften erkennt man, dass man kein krankhafter Narzisst ist. Man kann:

  • sich für andere Menschen freuen
  • Hilfe annehmen
  • gut zuhören
  • eigene Fehler eingestehen und sich aufrichtig entschuldigen
  • Verantwortung abgeben

Der Zusammenbruch eines Narzissten folgt, wenn der Narzisst seine Krankheit nicht einsieht und eine Therapie verweigert.

Ein Narzisst ist am Ende, wenn er allein dasteht. Mit seinem egoistischen Verhalten, seiner fehlenden Empathie und der mangelnden Wertschätzung vergraulen Menschen mit Narzissmus häufig andere in ihrer Umgebung. Ihr Verhalten kann toxisch und respektlos sein.

Ein Narzisst oder eine Narzisstin bricht dann zusammen, wenn beruflich und sozial alles schiefläuft und sich die Menschen mit der Zeit von ihm distanzieren. Wenn Betroffene keine Therapie machen und sich vollständig isolieren, verbaut er sich die Chance auf ein glückliches Leben und gesunde Beziehungen.

Die Kommunikation mit einem Narzissten kann sehr schwierig sein, da Narzissten oftmals nur ihre eigene Perspektive wahrnehmen und Schwierigkeiten haben, die Blickwinkel anderer zu verstehen. Zudem steht Narzissmus oftmals auch im engen Zusammenhang mit Lügen.

Deshalb sind wirklich zielführende Gespräche - je nach Ausmaß des Narzissmus - gar nicht unbedingt machbar. Ist der Narzisst ein Arbeitskollege oder jemand anderem, dem man gut aus dem Weg gehen kann, sollte man den Kontakt soweit wie möglich vermeiden.

Hier sind einige Tipps, die bei der Kommunikation mit einem Narzissten hilfreich sein können:

Klare und prägnante Sprache verwenden

Menschen mit einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung können schnell gelangweilt oder desinteressiert sein, wenn sich das Gespräch nicht um sie dreht. Sie erzählen gerne von sich selbst, hören aber kaum zu. Daher empfiehlt es sich, eine klare, prägnante Sprache zu verwenden sowie Abschweifungen zu vermeiden. Behalten Sie das Gesprächsziel im Auge, wenn der andere provozieren oder unterbrechen will.

Bitten funktionieren oft besser als Forderungen. Wenn Narzissten die Möglichkeit hben, einen Wunsch zu gewähren, ohne selbst viel zu verlieren, fühlen sie sich größer.

Kritik in Grenzen halten

Narzissten haben oftmals ein fragiles Selbstwertgefühl und nehmen Kritik als Angriff auf ihre Persönlichkeit wahr. Daher sollte man versuchen, das persönliche Anliegen - falls möglich - auf eine positive und konstruktive Weise zu äußern, ohne die Person zu verletzen.

Falls das nicht geht: Erwarten Sie eine geringe Frusttoleranz. Und rechnen Sie damit, dass der Narzisst oder die Narzisstin auf Rache aus ist.

Machtspiele vermeiden

Narzissten versuchen oftmals, Macht auszuüben und andere Menschen zu dominieren. Oder sie stellen sich als Opfer dar. Bestenfalls sollte man in solchen Situationen versuchen, ruhig und sachlich zu bleiben und sich nicht manipulieren zu lassen. Zudem sollte man sich nicht in Machtkämpfe verwickeln lassen, da andernfalls Eskalation droht.

Ego ansprechen

Wenn man etwas bei Narzissten erreichen will, verdeutlicht ihnen am besten, was bei dem Thema der Nutzen für sie ist - zu Beispiel, wie viel Anerkennung und Wertschätzung sie für eine bestimmte Tat erhalten würden.

Verreinbarungen festhalten

Narzissten sind oftmals gut darin, Fakten im Nachhinein zu verdrehen. Sie hätten "das doch anders verstanden" oder "darüber habe man doch nie geredet". Wenn es wichtig ist, halten Sie Vereinbarungen schriftlich fest und lassen Sie sich bestätigen. Das wird der anderen Person nicht gefallen, aber kann für die Zukunft sehr hilfreich sein.

Gespräche begrenzen

Ist der Narzisst oder die Narzisstin schon lange am Erzählen, aber man möchte das Gespräch beenden, sollte man desinteressiert wirken und nicht auf ihn eingehen. Sätze wie “Damit erzählen Sie mir nichts Neues” oder "Ich habe Sie nicht verstanden, können Sie lauter sprechen?" wirken bremsend auf das Gespräch. Schweigt der andere, schweigen Sie ruhig mit.

Eine Beziehung mit einem Narzissten zu führen, ist eine Herausforderung. Oftmals achten Partner von Narzissten mehr auf diese als auf sich selbst und sehen sich gezwungen, deren Stimmungschwankungen auszugleichen und ihren Vorstellungen und Wünschen zu entsprechen. Darunter leidet nicht nur die Beziehung, sondern auch das eigene Selbst. Man fühlt sich oft minderwertig, traut sich nicht, die eigene Meinung zu sagen und hat Angst vor der nächsten Kritik oder Demütigung.

Diese Tipps sollte man dabei beachten:

Klare Grenze setzen

Narzissten versuchen oftmals, die Grenzen anderer zu überschreiten. Daher sollten Beziehungspartner klare Grenzen setzen, um die eigene Würde und ihre Bedürfnisse zu schützen.

Selbstpflege

Eine Beziehung mit einem Narzissten kann emotional erschöpfend sein. Umso wichtiger ist es, auf die eigene Selbstpflege zu achten. So kann man sich nicht nur selbst stärken, sondern auch seinen eigenen emotionalen Zustand verbessern.

Professionelle Unterstützung

Auch eine Therapie kann helfen, die Dynamik in der Beziehung besser zu verstehen und Wege zu finden, um gesunde Beziehungsstrukturen zu schaffen. Wenn der narzisstische Partner für eine psychotherapeutische Behandlung bereit ist, kann ihm das dabei helfen, besser auf die Gefühle und Bedürfnisse des anderen einzugehen.

Narzissmus wird als Persönlichkeitsmerkmal betrachtet und ist somit Teil der individuellen Persönlichkeit eines Menschen. Psychologen gehen davon aus, dass sich die Persönlichkeit nicht von Grund auf verändern lässt. Somit ist Narzissmus nicht wirklich "heilbar", aber die Symptome lassen sich mildern. Narzissten können lernen, ihre Wahrnehmung des Umfeld zu verbessern und ihre Verhaltensweisen zu kontrollieren.

Allerdings empfindet nicht jeder Narzisst seinen Narzissmus als problematisch und ist für eine Behandlung bereit. Auslöser für einen Therapiewunsch sind oft Konflikte in der Arbeit oder Partnerschaft, also Folgen des Narzissmus. Dafür sehen Narzissten aber nicht sich selbst in der Verantwortung, sondern andere Menschen oder äußerliche Faktoren.

Die narzisstische Persönlichkeitsstörung kann etwa zu 50 Prozent erblich bedingt sein und damit eine der am stärksten genetisch bedingten Persönlichkeitsstörungen, erzählt Claas-Hinrich Lammers, Chefarzt der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Asklepios Klinik Nord in Ochsenzoll dem "WDR" gegenüber. Auch Zwillingsstudien belegen die hohe Wahrscheinlichkeit von genetischer Veranlagung.

Obwohl Narzissmus auf genetischer Ebene vererbt werden kann, ist die konkrete Ausprägung von Narzissmus auch von Umweltfaktoren und Erfahrungen geprägt. Beispielsweise können traumatische Erfahrungen oder eine Vernachlässigung in der Kindheit zu einem höheren Risiko führen.

Doch nicht jeder Mensch mit einer genetischen Veranlagung für Narzissmus entwickelt auch tatsächlich eine narzisstische Persönlichkeitsstörung. Eine gesunde Umgebung und positive Erfahrungen können dazu beitragen, dass sich die genetische Veranlagung nicht durchsetzt.

Somit ist Narzissmus eine komplexe Persönlichkeitseigenschaft, die durch viele Faktoren beeinflusst wird. Es führt für Betroffene deutlich zu kurz, diese auf eine Ursache zurückzuführen.

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